Wandern durch Großbritannien - Der Coast to Coast Walk

Seitdem ich etwas über den zweitschönsten Wanderweg der Welt gelesen hatte, der technisch gesehen kein Wanderweg ist (OK, war. Seit 2022 gilt er als offizieller UK National Trail, was mich doch schon ein klitzekleinwenig traurig macht), wollte ich den wandern. Der Coast to Coast Walk ist die Erfindung von Alfred Wainwright, einem Menschen, der nur ein Ziel im Leben zu haben schien: die wunderschöne britische Landschaft durchwandern und andere Menschen dazu zu animieren, das Gleiche zu tun. 1973 veröffentlichte er ein Buch, das den C2C ins Leben rief: ein Wanderführer, der eine Großbritannien von St.Bees an der Irischen See im Westen nach Robin Hood's Bay an der Nordsee im Osten durchquert. Unterwegs durchquert der Weg einige der schönsten Ecken der Insel: die wunderschönen Spitzen des Lake District (wo Wainwright gelebt hat), die wundervollen rollenden Hügel der Yorkshire Dales und die heidekrautbedeckten Hochebenen der North York Moors. Letzteres hat noch ein zusätzliches Leckerli für uns: da ein Teil von Manus Familie direkt am Südende des Moors lebt, konnten wir uns nicht nur auf die Landschaft, sondern auch noch auf die Leute freuen.

Inhalt

Prolog - Wie sind wir hier gelandet?

Ich wollte diese Wanderung unbedingt machen, seit ich zehn Jahre zuvor darüber gelesen hatte. Allein die Idee, einfach die wilde (naja, ein bisschen) Landschaft anhand der Beschreibungen eines Buches zu durchqueren, anstatt Wegweisern zu folgen, hatte was magisches für mich. Ich finde das englische System der öffentlichen Wegerechte faszinieren (auch wenn ich mittlerweile das deutsche System der freien Zugänglichkeit von Feld- und Waldwegen deutlich besser finde, aber das ist ein anderes Thema). Irgendwann ist irgendwer mal hier langgelaufen und deswegen hat man jetzt auf ewig das Recht hier langzulaufen. Auch wenn es durch eine Hecke, mitten durch ein Feld, über einen Zaun oder durch einen private Garten ist. Das ist nicht nur die gesetzliche Regelung (was nicht so romantisch wäre), sondern scheint auch weitgehend akzeptiert und als leicht verrückte Tradition gefeiert zu werden.

Ein Wegweiser, der einen öffentlichen Reitpfad zwischen Grasmere und Rosthwaite markiert
Ein "public bridleway", d.h. ein öffentlicher Reitpfad (auf dem man auch wandern darf), zwischen Grasmere und Rosthwaite. Wainwright hat genau diese öffentlichen Wegerechte aneinandergehängt, um einen durchgehenden Fernwanderweg durch Großbritannien zu bilden.

Da gab es nur ein klitzekleines Problem: Manu war schon ein absoluter Wanderfan, aber sie war sich unsicher, ob wir das wirklich schaffen würden. Es wollte mir 10 Jahre partout nicht gelingen, sie vom Gegenteil zu überzeugen. OK, zugegebenermaßen neige ich manchmal dazu, mich Hals über Kopf in Sachen zu stürzen, so dass mein Argument "Wird schon! Kriegen wir hin!" nicht so richtig gezogen hat.

Manchmal geht das Schicksal dann doch merkwürdige Wege. Ich habe früher in der Uni Big Band Schlagzeug gespielt und dadurch eine gute Freundin kennengelernt, die auch so ein wenig "Ah, wird schon..." drauf ist. Im Laufe der Jahre haben wir uns über alles mögliche unterhalten, so auch einmal über's Wandern und den Coast to Coast Walk (C2C). Sie hatte ursprünglich einen Road Trip mit einem Freund geplant, der sich dann aber zerschlagen hatte und dachte sich wohl "Hm, warum eigentlich nicht?". Als wir uns das nächste Mal getroffen haben (sie war in der Zwischenzeit weggezogen), stellte sie die alles entscheidende Frage: wenn sie den C2C wandern würde, würden wir mitkommen wollen? Ich werde dir, liebe Josie, ewig dankbar für diesen Vorschlag sein. Ich weiß noch nicht mal so genau was eigentlich passiert ist, aber ich habe Manus "Ok, versuchen wir's!" immernoch im Ohr.

Lange Rede, kurzer Sinn: knapp ein Jahr später standen wir vier (Josie hatte in der Zwischenzeit Tobi getroffen) an einem Strand im Westen Großbritanniens, machten noch ein paar Bilder und liefen dann los, 300 km nach Osten...

Selfie von Manu, Markus, Josie & Tobi vor der Säule, die den Anfang des C2C markiert
Wir sehen etwas skeptisch aus, aber was solls...

Der erste Tag: Erstmal hinkommen

Der C2C hat eine für uns ideale Eigenschaft: er endet quasi vor der Haustür von Manus englischer Familie. Also hatten wir enschieden, dass es das beste wäre, mit dem Auto nach Rotterdam zu fahren, die Nachtfähre nach Hull zu nehmen und zum Frühstück bei Helen und Ian zu sein, das Auto zu parken, die beiden zu überzeugen (war nicht schwer, danke nochmal!), uns nach York zu fahren, mittels öffentlicher Verkehrsmittel nach Richmond zu reisen, sich von der Firma, die unser Gepäck transportieren sollte, an die Westküste fahren zu lassen und schließlich zurück zu laufen. Klingt doch einfach. Die ersten paar Schritte sollten ungefähr zwei Tage dauern, der letzte dann 15...

Apropos "Gepäcktransport": da das unser ersten Langstreckenwanderweg war, wollten wir es gemütlich angehen lassen und haben Sherpa Van mit dem Transport unserer Sachen beauftragt. Das ganze funktioniert so: morgens packt man seinen Tagesrucksack mit allen Sachen, die man unterwegs braucht und läuft los. Irgendwann im Laufe des Tages kommt ein Fahrer von Sherpa Van, sammelt das verbliebene Gepäck an der vorherigen Unterkunft ein und liefert es bei der nächsten ab. Das erlaubte es uns, nur Essen und Trinken für den Tag mitzunehmen und nicht darüber nachzudenken, was wir alles genau rumschleppen müssten. Wir haben seitdem andere Langstreckenwanderungen ohne Gepäcktransport gemacht, aber ich bin doch ganz dankbar, dass wir damals einen einfacheren Start hatten. Außerdem hatte Sherpa Van angeboten, uns von Richmond (wo deren Zentrale ist) an die Westküste nach St.Bees zu fahren (knapp 2 Stunden Fahrt immerhin). Das ersparte uns einiges an Kopfschmerzen bezüglich öffentlicher Nahverkehrsmittel in den doch eher dünn besiedelten Gegenden im Lake District und den Yorkshire Dales.

The Barn at Frenchgate in Richmond. Gemütliches kleines Plätzchen, etwas ungewöhnlicheres Ambiente mit einer wunderbaren Sammlung alter Bücher und Schallplatten an den Wänden.

In Richmond übernachteten wir in einer umgebauten Scheune. Interessantes Konzept: die Eigentümer haben ursprünglich die (kleine) Scheune zu einem Wohnhaus für sich selbst umgebaut. Wenn sie an Gäste vermieten, ziehen sie so lang auf die Baustelle im großen Haus vorn auf dem Grundstück. Mit der Zeit bauen sie das große Haus kompeltt zum Wohnhaus aus und vermieten die Scheune dauerhaft. Uns hat's Spaß gemacht, wir hatten eine entspannte Nacht und waren am nächsten Morgen bereit, uns von Sherpa Van aufsammeln zu lassen.

Tag 1: Los geht's! - St. Bees nach Low Cock How

Wir vier im Bus auf dem Weg in Richtung Küste
Ein Hoch auf unser'n Busfahrer...

Früh am nächsten Morgen stiegen wir mit unserem Gepäck in einen Kleinbus und ab ging's in Richtung Westküste. Der Fahrer war recht interessiert an der Tatsache, dass Manu und ich in der DDR geboren waren und so haben wir die zwei Stunden Fahrt quasi im Flug verquatscht. Er setzte uns nahe dem Startpunkt ab und machte sich auf den Weg, unser Gepäck an unserem Tagesziel abzuliefern.

Vier Hände mit kleinen Kieseln vom Strand
Überall das gleiche: an jedem Fernwanderweg scheint es Tradition zu sein, dass man ein Steinchen von einem Ende zum anderen trägt. Ich frage mich, ob das eigentlich eine signifikate Quelle von Erosion ist...

Da waren wir nun, nahmen noch ein paar Bilder auf, sammelten Steinchen ein, die wir mit ans andere Ende nehmen wollten und waren insgesamt aufgeregt, dass es endlich los ging.

Auch wenn die von Westen nach Osten wandern wollten, ging es doch zuerst in Richtung Norden. Das ist so ein Ding mit Wainwright: wenn es irgendwo unterwegs einen schönen Berg oder einen Ausblick gibt, dann plant er einen Umweg ein. In St.Bees führt der Pfad dann auch erstmal auf die Klippen und um den Leuchtturm, bevor er dann hinter Birkhams Steinbruch rechts abbiegt und ins Landesinnere verschwindet.

So folgt man dem Weg übrigens: keine Karte oder Wegweiser, sondern ein Buch, das genau solche Anweisungen gibt (auch wenn ich annehme, dass es nach der Ernennung zum National Trail jetzt Wegweiser gibt): "lauft an der alten Bank vorbei", "biegt an diesem besonderen Stein links ab" etc. Wir sind zwar nicht nach Wainwrights Original gelaufen (der ist ja nun doch schon ein paar Jahre tot), hatten aber einen Trailblazer guide "Coast to Coast Path: St Bees to Robin Hood's Bay" dabei, der genauso funktioniert. Die zwei Autoren wandern den Weg vor jeder neuen Ausgabe, so dass wir uns sicher sein konnten, dass die Informationen aktuell waren und weder die alte Bank, noch der alte Traktor, die als Wegpunkte verwendet wurden, plötzlich verschwunden gewesen wären.

Ein Industriegebiet am Horizont über die Bucht bei St.Bees hinweg
Das sah schon ein wenig fehl am Platz aus in der doch recht ländlichen Gegend. Ist es irgendwie auch. Mehr, als ich ursprünglich dachte. Das ist Sellafield, früher bekannt als Windscale.

Wenn man die Klippen von St.Bees erklimmt und sich rumdreht, sieht man ein riesiges Industriegebiet in der Ferne. Ich hab das damals fotografiert, weil es so gar nicht zur ländlichen Umgebung passen wollte. Hinterher stellte sich raus: die Anlage ist berühmt (oder eher berüchtigt): Windscale, der Ort des schlimmsten Nuklearunfalls in der britischen Geschichte. 1957 geriet einer der beiden dort befindlichen Versuchsreaktoren in Brand und stieß eine riesige radioaktive Wolke (hauptsächlich Jod-131) aus, die sich über Großbritannien und den europäischen Kontinent ausbreitete. Die Anlage wurde seitdem allerdings umbenannt. Heute hört sie auf den Namen Sellafield und beherbergt eine der ganz wenigen Wiederaufbereitungsanlagen für Atomabfälle in Europa. Wahrscheinlich bot sich das an, nachdem die Landschaft eh schon verseucht war...

Manu läuft zwischen großen Farnen an einer Klippe entlang. In der Ferne sieht man ein Dorf über's Wasser hinweg.
Das wollten wir eigentlich sehen: schmale Pfade in der Sonne.
Die Klippen hinter St.Bees bei Birkham's Quarry. Der Steinbruch liegt direkt auf den Klippen von St.Bees Head. Wenn so vorbei läuft, sieht das mehr aus wie das Freizeitprojekt von jemandem, der gern einen Steinbruch hätte und nur was macht, wenn er Lust hat (hatte er an dem Tag nicht, war alles ruhig). Steine werden dort nur noch abgebaut, wenn welche für Restaurierungsarbeiten benötigt werden, so dass nicht allzuviel los ist. Außerdem ist wohl eine der Auflagen für den Weiterbetrieb, dass ungenutzte Teile des Steinbruchs renaturiert werden, weswegen er insgesamt recht idyllisch aussieht.

Dreht man sich wieder nach Norden sieht es dann doch etwas idyllischer aus. Ein schmaler Pfad, Klippen, hin und wieder mal eine Kuh, das Meer, ein Dorf in der Ferne... Anhand der Anweisungen im Buch kamen wir nach Sandwith, unterquerten die Eisenbahn, machten eine kleine Mittagspause mitten in einem Feld, wanderten entlang einer ehemaligen Eisenbahnstrecke vorbei an Cleator, bis wir schließlich bei Black How dann doch zum ersten Mal eine Karte brauchten. Bis hierhin konnten wir den Beschreibungen im Buch problemlos folgen, aber da Wainwright (und infolgedessen auch die Trailblazer-Autoren) immer Hügel bevorzugte, hätten wir hier auf den Knott klettern sollen. Dummerweise waren da nun gerade Forstarbeiten im Gange, so dass der Weg gesperrt war und wir eine Ausweichmöglichkeit finden mussten.

Ein weiteres Problem, welches wir "feststellten" (man hätte es wissen können, aber nun ja...): wenn der Wind den ganzen Tag bläst, dann nimmt man die Sonne auf der Haut nicht so wahr, bis es zu spät ist. Trotz Sonnencreme sah besonders Tobi regelrecht geröstet aus, wo auch immer die Sonne an die Haut kam. Das sollten in den kommenden Tagen noch ein bestimmendes Thema werden. Wir waren auf alle möglichen Wetter vorbereitet, aber mal ehrlich: wer erwartet denn drei Wochen Sonne in Nordengland?

Low Cock How Farm eingebettet in grüne Hügel
Low Cock How ist ein Bauernhof, der auch Zimmer anbietet.
Manu steigt in einen Einschnitt ab
Man sieht die Farm schonmal in der Ferne, steigt dann aber in die "Schluchten" hinab und verliert erstmal komplett die Orientierung, bevor man schließlich direkt am Eingang wieder auftaucht. So richtig verlaufen kann man sich zum Glück nicht. Letztlich führen alle Wege in Richtung der Farm. Und wir hatten eine Karte.

Laut Karte führte unser Umweg idealerweise über Flat Fell, von wo aus man durch "Schluchten" (naja, eher Hohlwege/Einschnitte im Gelände) zu unserer Unterkunft kam. Wir hatten Betten im Schlafsaal gebucht, aber zu meiner endlosen Erleichterung hatten wir den Raum mit seinen 10 Betten für uns alleine, da wir in dieser Nacht die einzigen Gäste waren. Nachdem wir unsere indische Essenslieferung aus dem Nachbardorf genossen hatte, verschwanden wir früh im Bett. 20+ km am ersten Tag waren dann doch ein klein wenig anstrengender, als erwartet. Ich glaube wir waren alle um 10 eingeschlafen.

Selfie von uns vier müden Wanderern vor dem Bauernhaus
Wir waren alle durch, wie das Bild zeigt, denke ich.

Tag 2: Zeitprobleme - Low Cock How nach Rosthwaite

Am nächsten Morgen standen wir eher langsam und vorsichtig auf. Der Vortag steckte uns noch in den Knochen, aber es hilft ja nix. Schon spannend: Der zweite Tag ist der der schlimmste auf einer langen Wanderung. Danach wird es besser.

Wir vier, bereit erneut loszulaufen.
Auf geht's! Wir sehen doch etwas frischer aus, als am Abend zuvor.

Nach einem Full English Breakfast, der richtigen Grundlage für einen solchen Tag (dachten wir zumindest) machten wir uns auf den Weg zu den ersten Gipfeln des Lake District. Spannung am Start: wir mussten erst durch eine Pferdeherde, die die Einfahrt des Bauernhofs blockierte. Ich bin mir immer noch nicht sicher, wer nervöser war: wir, weil wir die Pferde die Pferde nicht erschrecken wollten, oder die Pferde, die versuchten, in den Hecken auf beiden Seiten des Weges zu verschwinden. Egal: sobald wir dieses Hindernis überwunden hatten, konnte die eigentliche Wanderung beginnen.

Manu geht auf die Hügel des Lake District in der Ferne zu
Nachdem wir am Vortag im Grunde "nur" auf den Klippen entlanggelaufen bin, endlich die ersten "richtigen" Hügel.

Entlang der Straße nach Ennerdale Bridge, durch Broadmoor (nicht zu verwechseln mit der Hochsicherheits-Psychiatrie gleichen Namens. Das hier ist nur ein schönes Stück Wald, das auch ein Moor ist), entlang Ennerdale Water und weiter das Tal hinauf. Leider konnte ich das nicht so richtig genießen. Das Frühstück lag mir schwer im Magen, so dass ich mich erstmal in den Schatten legen musste, weil mir schlecht war. Was für ein wunderbarer Start in den Tag...

Bild von Ennerdale Water mit Blick auf die Berge
Im Lake District gibt es - wenig überraschend - viele schöne Seen.

Während ich versuchte, mich zu erholen, liefen Josie und Tobi voraus und sprangen in das kalte Wasser des Sees. Offenbar fanden sie das schön. Ich hab später meine Finger reingehalten und festgestellt, dass es vor allem kalt war. Nachdem ich mich etwas erholt hatte, konnte wir weitergehen und dem Seeufer das Tal hinauf folgen. Ennerdale Water ist der westlichste See im Lake District, wurde also zuerst erledigt. Wie viele kommen noch? (Zugegebenermaßen würden wir nicht an allen vorbeikommen. Der Coast to Coast Walk konzentriert sich deutlich mehr auf die Gipfel als auf die Seen.).

Markus mit dem See im Hintergrund
Ein wirklich ein sehr schönes Stück Erde. Selbst in meinem eher tristen Zustand an diesem Morgen konnte ich das einigermaßen genießen.

Wie es sich für richtige Wanderer gehört, wollten wir uns zum Mittagessen eine warme Mahlzeit vom Gaskocher gönnen. Also suchten wir uns eine Stelle am Ufer der Liza, stellten den Kocher auf und kochten ein paar ... fast so genauso schöne Fertignudeln. Nicht gerade Drei-Sterne-Essen, aber wenigstens war der Fluss schön.

Wir vier beim Mittag am Flussufer
Eher ein landschaftliches als ein kulinarisches Erlebnis...

Der Rest des Tages bot noch mehr Schönheit: Wir wanderten das Tal hinauf zur Black Sail Hostel. Das ist eine idyllische kleine Jugendherberge ganz am Ende des Tals, die man nur zu Fuß erreichen kann. Leider ist sie meist schon Monate im Voraus ausgebucht, so dass wir dort keine Plätze mehr bekommen hatten. Das stellte uns vor zwei Probleme: 1. mussten wir aus dem Tal rauslaufen (das heißt: hoch und über die Hügel) und 2. hatten wir den Zeitbedarf völlig falsch eingeschätzt. Wir waren gegen 18 Uhr an der Black Sail, mehr oder weniger zu der Zeit wo wir eigentlich an unserem Ziel sein wollten. Da es praktisch den ganzen Tag keinen Handyempfang gab, konnten wir nicht einmal unsere Gastgeber anrufen, damit die nicht die Bergrettung zu schicken.

Markus klettert einen Hügel hinauf, mit Manu, Josie und Tobi im Hintergrund
Es gibt keinen anderen Ausweg, als den Berg rauf. Genau das, was man am Ende eines langen Tages braucht...

Wenigstens letzteres Problem war gelöst, als wir aus dem Tal heraus waren. Es gab ein paar Quadratmeter wo o2 tatsächlich ausreichend Empfang bereitstellen konnte, um unsere Gastgeber anzurufen und ihnen mitzuteilen, dass wir uns ziemlich verspäten würden. Technisch gesehen mussten wir zu diesem Zeitpunkt noch etwa 5-6 km zurücklegen.

Als wir aus dem Tal heraus waren, wurden die Dinge etwas... sagen wir: industrieller. Es ging einen schnurgeraden Weg hinunter zum Honister Pass (eine weitere Herberge, in der wir keine Zimmer bekommen hatten). Laut Karte heißt der Weg Dubs Incline. In den Hügeln in diesem Gebiet wurde jahrhundertelang Schiefer abgebaut (der Honister-Steinbruch am Honister Pass wurde bspw. 1643 eingerichtet). Dubs Incline ist eine menschengemachte schiefe Ebene, auf der Gleise für Loren zum Transport des Gesteins vom Dubs Quarry zum Honister Pass, der nächstgelegenen Straße, lagen. Heutzutage sind die Gleise längst verschwunden und der Steinbruch existiert nicht mehr. Nur der Abhang und die Strukturen in den umliegenden Hügeln zeugen von einer Zeit, in der es hier einiges an Bergbau gab.

Ein schnurgerader Weg, der bergab führt
Definitiv kein Weg, der sich auf einfach so gebildet hat, als die Menschen über Jahrhunderte durch das Gebiet wanderten. Er ist schnurgerade, damit die Loren auf den Schienen mit Seilen abgelassen und wieder hochgezogen werden konnten, mit denen das Gestein aus Dubs Quarry zum Honister-Pass transportiert wurde.
Eine weitere schiefe Ebene auf der gegenüberligenden Talseite
Eine weitere schiefe Ebene am gegenüberliegenden Hang. Alle diese Bauwerke dienten demselben Zweck: das abgebaute Gestein die steilen Hänge runterzubringen, ohne jedes einzelne Stück tragen zu müssen.

Der Abstieg vom Honister-Pass in Richtung Seatoller war zwar eigentlich recht angenehm am Hang entlang, zog sich aber gefühlt ewig hin. Unsere völlig falsche Einschätzung des Zeitbedarfs holte uns jetzt ein und wir waren gezwungen in Seatoller aufzugeben. Glücklicherweise hatte unsere Gastgeberin angeboten uns abzuholen. Wir riefen sie einfach nur kurz an... ach ja richtig: keines unserer Telefone hatte Empfang. Zum Glück gibt es ein Hotel in dem winzigen ~12-Häuser-Dorf (einschließlich des Hotels). Der Besitzer war so nett, unseren Gastgeber anzurufen (anscheinend waren wir nicht die ersten mit dem Problem. Er wusste schon, wen er anrufen musste). Sie holte uns etwa 20 Minuten später ab und nach einer kurzen Fahrt (die ich definitiv nicht zu Fuß hätte zurücklegen wollen) konnten wir endlich in unsere Betten auf der High Lodore Farm fallen, wieder völlig platt. Die Küche war bereits zu, aber aber unsere Gastgeberin machte uns schnell noch ein paar Brote mit Marmelade, was sich nach dem Tag wie eine himmlische Mahlzeit anfühlte.

Wir vier auf dem Bett, müde aber glücklich
Nicht gerade bequem, aber was macht man nicht alles für's Bild... Wir hatten für die Nacht dann aber doch getrennte Zimmer.

Es ging wieder früh ins Bett für eine ruhige Nacht. Wäre aber egal gewesen, wir hätten vermutlich auch eine Explosion verschlafen.

Tag 3: Rauf und drüber - Rosthwaite nach Grasmere

Am nächsten Tag brachen wir getrennt auf. Wir hatten festgestellt, dass wir ganz unterschiedliche Wanderstile haben (na ja, zumindest die Paare passen zusammen), also war es sinnvoll, getrennte Wege zu gehen und uns am Abend wieder zu treffen (oder, je nach Plan für den Tag: zum Mittag). Zuersteinmal mussten wir mit dem Bus zu unserer eigentlichen Route zurück kommen. Offener Doppeldeckerbus auf kleinen Landstraßen. Ich habe mehr als einen Ast abbekommen. Auch mal ne Erfahrung...

Manu, Markus & Josie am Frühstückstisch
Das Wir-sind-dann-mal-weg-Foto für den Tag ohne Tobi. Ich kann mich gar nicht mehr erinnern, wo er zu diesem Zeitpunkt war. Wahrscheinlich ein bisschen die Ruhe genießen, während wir uns halbwegs früh auf den Weg machen.

Die Wanderung war ganz angenehm. Wieder ein Flusstal rauf (Stonethwaite Beck und Greenup Gill in Richtung Lining Crag als erstem Gipfel des Tages). Unterwegs trafen wir den wahrscheinlich am schlechtesten vorbereiteten Wanderer der ganzen Reise (oder aller unserer Reisen bisher, wenn ich so drüber nachdenke). John, ein Mann um die 70 aus Irland, dessen Art zu wandern sich am besten mit "energiegeladenen Sprints mit langen Erholungsphasen dazwischen" beschreiben ließ. Ich habe ja Respekt davon, in dem Alter noch so zu wandern, aber es gab uns zumindest etwas zu denken, dass dass er nur einen halben Liter Wasser in zwei kleinen Plastikflaschen mitgenommen hatte und die schon kurz nach dem Start das erste Mal alle waren. Wir haben ja gern was abgegeben, denn wir hatten ja genug dabei, aber mit zwei so kleinen Flaschen kommt man nicht weit. Wir behielten ihn eine ganze Weile im Auge (was nicht schwer war, da wir ihn wegen seines Wanderstils etwa alle 30 Minuten überholten, nur um später wieder von ihm überholt zu werden) und füllten seine Flaschen mehrfach auf. Wir sahen es einfach als unsere gute Tat für den Tag und waren froh darüber, dass er Grasmere am Ende sogar noch vor uns erreichte.

Ein kleiner Steinpfad windet sich das Tal hinauf
Eine der schönsten Ecken des Coast to Coast. Und eine der wärmsten. Die Sonne hat das Tal dann doch ziemlich schnell aufgeheizt.
Der Pfad durchquert ein Geröllfeld mit einem Zaun aus hängenden Gattern, die aus dem Weg schwingen können, wenn Wasser den Berg runterrauscht
Interessantes Konzept: im Grunde sind es Notfallgatter für Wasser. Wenn das Wasser den Berg runterrauscht, kann der Zaun beiseite schwingen, um Schäden zu verhindern. Sobald der Pegel sinkt, fallen die Tore wieder zu, damit Wanderer nicht einfach über die Kante stürzen.
Manu & Markus von hinten mit Blick ins Tal über ihre Schultern
Ein schöner Blick hinunter ins Tal, woher wir gekommen waren. Es waren diese langen Pausen, die es unserem schlecht vorbereiteten irischen Freund ermöglichten, immer wieder aufzuholen und seine Wasserflaschen aufzufüllen.
Der erste Gipfel des Tages: Lining Crag. Zeit für eine längere Pause und ein Panorama. Wenn man das Bild von uns wegdreht, kann man gerade noch sehen, wie unser irischer Freund den Pfad heraufkommt und uns wieder überholt, während wir die Pause genießen.
Manus Füße in roten Wandersocken mit Hügeln im Hintergrund
Zeit für eine Werbepause...

Zeit für etwas Werbung (#not_sponsored): kurz vorm Urlaub hatte Manu ein Set Wright Socks gekauft und die sind einfach genial. Es sind doppellagige Socken mit einer synthetischen Innensocke, die sich an den Fuß anschmiegt und einer Außensocke aus Wolle, die am Schuh anliegt. Dadurch wird die Haut der Füße von der Bewegung des Schuhs isoliert und so werden Blasen verhindert. Ich war anfangs skeptisch, bin aber schnell überzeugt worden. Auf den ganzen 300 Kilometern (oder, wenn ich es mir recht überlege, auf den ~500 km seitdem) habe ich genau eine Blase bekommen (wir nannten sie Nigel, weil sie gleichzeitig lästig und nutzlos war), Die lag an einem Knick in der Innensohle meiner Schuhe, weil ich die morgens nicht richtig eingebaut hatte. Keine Socke der Welt kann das verhindern. Die üblichen "Da reibt was auf der Haut"-Blasen gibt es bei diesen Socken aber einfach nicht. So, genug der unbezahlten Werbung...

Was man im Hintergrund des Sockenbildes gerade noch erkennen kann ist das Meer (OK, man muss wahrscheinlich wissen, dass es da ist). Das war ziemlich faszinierend: Obwohl wir an dieser Stelle schon ziemlich weit von der Küste entfernt waren gab es immer wieder Ausblicke, an denen man das Meer noch sehen konnte. So als ob einen die Irische See nicht wirklich loslassen wollte bis man auch ja sicher auf dem Weg zu ihrer Schwester im Osten ist.

Markus schläft mit seinem Wanderhut auf dem Gesicht
Warum nur nachts schlafen, wenn es überall dieses wunderbar weiche Gras gibt?

Eine Sache, die das warme Wetter echt angenehm machte, war Mittagsschlaf. Das wurde quasi unser neues Mittagsritual: ein Sandwich und ein kurzes Nickerchen. Man musste nur auf den Sonnenschutz achten, wie man im Foto oben sieht.

Nach dem Mittagessen ging es hauptsächlich bergab von Greenup Edge in Richtung Grasmere. Auf dem Weg nach unten hörten (und sahen) wir Kampfjets in der Ferne. Da der Lake District recht dünn besiedelt ist und die richtige Geografie aufweist, wird er von der RAF und anderen befreundeten Luftwaffen für Tiefflugübungen genutzt. Haut zwar nicht mehr ganz so hin mit dem mit dem Thema "friedlich und ruhig" während der Wanderung, aber zumindest gibt es interessante Ausblicke (wenn man etwas näher dran ist als wir es waren).

Ein Tiefflieger in einer engen Kurve vor einer weit entfernten Bergflanke
Während wir die Jets den ganzen Tag über in der Ferne hören konnten, haben wir sie nur sehr selten gesehen. Das ist das einzige Bild, was ich von einem machen konnte. Der scheint aber was Besonderes zu sein: das ist ziemlich sicher eine [F-15E Strike Eagle] (https://de.wikipedia.org/wiki/McDonnell_Douglas_F-15). Das Besondere daran ist die Farbe: es handelt sich (wahrscheinlich, das Bild wurde aus einiger Entfernung aufgenommen) um eines von drei Flugzeugen, die in RAF Lakenheath stationiert sind und die zum Gedenken an ihr Pendant aus dem Zweiten Weltkrieg, die P-47 Thunderbolt, lackiert wurden. Der 48th Fighter Wing of the US Air Force hat ein Bild von allen drei Flugzeugen im Flug. Das Flugzeug, was ich hier erwischt habe, ist wahrscheinlich das mit den roten Seiten-/Höhenrudern.

Nach einem ersten steilen Abstieg geht's dann eher gemütlich entlang des Easdale in Richtung Grasmere. Das ist dann weniger vollgas Wandern, sondern eher ein gemütlicher Spaziergang, was natürlich bedeutete, dass uns unser irischer Freund wieder überholte und in der Ferne verschwand.

Manu von hinten bei der Wanderung durch ein Tal. Im Hintergrund läuft ein Mann voraus.
Nachdem es innerhalb von wenigen Kilometern etwa 300 Höhenmeter bergab ging, flachte der Weg ab und war recht angenehm zu wandern (wenn auch etwas warm, weil es im Tal kaum einen Luftzug gab). Nachdem er uns überholt hatte, verschwand John in der Ferne, diesmal endgültig, denn an diesem Tag gab es keine Hügel mehr, die ihn gebremst hätten.

Kurz bevor er Grasmere erreicht, führt der Weg durch ein kleines Waldstück und mündet in den Poet's Walk. Die einsame Schönheit des Lake District diente Künstlern schon lange als Inspiration, allen voran William Wordsworth. Ich behaupte nicht etwas über englische Dichter zu wissen. Ich habe von Keats gehört, aber hauptsächlich wegen eines Zitats aus Richard Dawkins' Buch "Unweaving the Rainbow: Science, Delusion and the Appetite for Wonder", das am Ende von Nightwishes "The Greates Show on Earth" (eines der großartigsten Musikstücke aller Zeiten) verwendet wird. Ich habe den Namen Wordsworth schonmal gesehen, könnte aber ums Verrecken kein Gedicht von ihm nennen. Natürlich sagt mir Shakespeare was, aber das war's dann auch schon. Bei Goethe und Schiller kann ich von Glück sagen, wenn ich mich etwas mehr auskenne, also verlasst euch bloß sich nicht auf mich, wenn es um englische (oder andere) Literatur geht. Aber was Wikipedia sagt mir, dass Wordsworth eine große Nummer in der englischen romantischen Literatur ist, womit er ein Zeitgenosse von Goethe und Schiller gewesen wäre. Wobei Goethe die Romantik anscheinend nicht ausstehen konnte. Wordsworth schien Goethe allerdings im Gegenzug auch nicht zu mögen und hielt ihn laut Henry Crabb Robinson für einen "zweitklassigen Mann". Nach einem Besuch in Deutschland im Jahr 1798 (den er auch nicht besonders mochte, weil er Heimweh hatte), zog er in den Lake District und blieb seitdem mit dieser Gegend verbunden. Er starb dort und ist in Grasmere begraben. Und anscheinend ging er in diesen Wäldern mit seiner Schwester Dorothy spazieren, weshalb jemand auf die Idee kam, ihm mit dem Poet's Walk zu gedenken. Der Weg ist eine kurze Schleife vom Lancrigg Hotel aus und führt unter einigen riesigen alten Bäumen entlang. Nichts Spektakuläres, aber eine willkommene Abwechslung zum windgepeitschten, sonnenverstrahlten Rest des Tages.

![Ein Schildchen an einer Steinmauer "Warning, Ponds ahead"](/img/c2c/ponds%20ahead.jpg "Das Schild soll vor einem kleinen Teich warnen, und das ist auch gut so, denn der Teich liegt direkt auf dem Weg, der kurz vorher nach rechts abbiegt, und es gibt kein Geländer, das einen davor bewahrt, einfach hineinzufallen. Wir haben uns mehr über die "Ponds" amüsiert, weil wir kurz zuvor die Ponds-Ära von Doctor Who gesehen hatten. Ja, wir sind leicht zu amüsieren, wieso?")

Der Tag endete schließlich im Thorney How Hostel, einem jahrhundertealten Bauernhof/Gutshaus, das zur Jugendherberge umfunktioniert wurde. Offenbar war die eine der Gründungsherbergen der YHA (auch wenn sie jetzt unabhängig ist). Wir ließen den Tag mit einer leckeren Pizza ausklingen, saßen noch ein bisschen draußen und ruhten unsere müden Füße aus.

Etwas, das uns an diesem Tag aufgefallen ist und das sich auf unseren Wanderungen seither irgendwie bestätigt hat: Langstreckenwandern (insbesondere beim Weiterwandern, also von einer Unterkunft zur nächsten), macht am dritten Tag etwas mit dem Kopf. Plötzlich verlässt man die normale Welt und wird Teil einer anderen, viel älteren und einfacheren. Klingt blöd, aber lasst es mich so erklären: Normalerweise ist die Welt voll von großen und kleinen Verpflichtungen, die einen in diese und jene Richtung zerren. Wenn man erst einmal in den Rhythmus einer Langstreckenwanderung gekommen ist, fallen all diese Dinge weg. Es gibt nur drei Dinge, die dann wichtig sind: die Strecke schaffen, die Füße (und den Körper) gesund halten und die Landschaft genießen. Alles andere ist sehr optional. Zumindest für mich beruhigt das massiv all die Dinge, die in meinem Kopf so vor sich gehen Das ist eines der besten Dinge an der ganzen Sache (das andere ist das Gefühl der eigenen Leistungsfähigkeit und Unabhängigkeit wenn man fertig ist).

Tag 4: Lauter Verrückte - Grasmere nach Patterdale

Am nächsten Tag hatten wir eine wichtige Erleuchtung: es gibt immer jemanden, der noch bekloppter ist als du. Aber von vorn...

Wir viel an der Straße auf dem Weg raus aus Grasmere
Erfrischt nach einer ruhigen Nacht und einer kurzen Tour durch die Geschäfte, bereit für den Aufstieg raus aus Grasmere.

Nach einem kurzen Bummel durch "Downtown Grasmere" (Naja, Grasmere ist das einzige auf dem C2C durch den Lake District, was auch nur annähernd eine Stadt sein könnte), wo wir uns mit Wanderausrüstung, Ersatzteilen für einen unserer Rucksäcke und - ganz wichtig - Compeed, dem Schutzheiligen der Wanderfüße, versorgt hatten, machten wir uns auf den langen (und ziemlich anstrengenden) Weg aus dem Tal hinauf zum Grisdale Tarn. Auf dem Weg nach oben trafen wir einige Läufer, die den Berg runter kamen. Bei der schwülen Luft an diesem Morgen staunten wir schon nicht schlecht, als sie uns erzählten, sie würden einen Ultramarathon von 100 km laufen und wären um Mitternacht gestartet. Jeder wie er mag, würde ich sagen. Man hatte uns für verrückt erklärt, weil wir überhaupt in Betracht gezogen hatten, zu Fuß 300+ km zu laufen, aber jetzt kamen wir uns im Vergleich zu den Leuten geradezu zahm vor. Einer sah sogar aus, als hätte er einen schweren Unfall gehabt. Die ganze linke Seite seines Körpers war mit Blut und Dreck bedeckt. Offenbar war er in der Dunkelheit ausgerutscht und hatte sich die Schulter und das Bein ein wenig aufgeschürft. Durch den vielen Schweiß rann das Blut an seiner Seite runter (nicht viel, wohlgemerkt, aber es sah beeindruckend aus) und trocknete dann einfach dort. Nach Sonnenaufgang entdeckte er das ganze Ausmaß seines Aussehens und beschloss, einfach so weiterzumachen. Wenigstens hat er was zum erzählen...

Manu auf dem hinauf zu Grisdale Tarn. Im Hintergrund das langgezogene Tal
Das Tal aus Grasmere rauf zu Grisdale Tarn ist ja ganz schick, aber die Luft stand darin an dem Morgen einfach nur.
Oben auf dem Kamm bei Grisdale Tarn, sozusagen dem Gipfel des Tages. Die sportlich aussehenden Leute im Hintergrund sind Ultramarathon-Läufer, die uns den ganzen Tag entgegenkamen. Als wir am Tarn im Hintergrund hinunterliefen, wurden wir von einigen Läufern gefragt, ob wir den Streckenposten eine Nachricht überbringen könnten. Offenbar hatten sich die Leute aufgrund der unklaren Beschilderung verlaufen und warum um den ganzen See rumgelaufen, teilweise sogar auf den Hügel im Hintergrund. Wir sollten die Streckenposten bitten, jemanden an der Stelle zu postieren, an der die Leute vom Weg abgekommen waren, damit das nicht noch öfter passiert. Haben wir natürlich gern gemacht.
Markus auf einem Stein, über ein Tal blickend
Ein Wanderer blickt auf seine... Beute (vielleicht?).

Den Rest des Tages ging es größtenteils bergab entlang des Grisdale Beck, der im Grisdale Tarn entspringt. Ganz zum Schluss wichen wir dann nochmal von der kleinen Straße rein nach Patterdale ab. Was für ein Glück, dass wir diese Idee hatten: der schmale Pfad führte einen Hügel hinauf und durch ein kleines Waldstück. Unterwegs bot er wunderbare Ausblicke auf Ullswater.

Ein Blick auf Ullswater über die Baumwipfel und Patterdale hinweg
Unser erster Blick auf Ullswater. Davon sollten wir am nächsten Tag allerdings noch genug sehen.

Unsere Unterkunft für die Nacht, Noran Bank Farm liegt etwas außerhalb von Patterdale. Als wir ankamen, wurden wir von einem sehr aufgeregten (wenn auch freundlichen) Hund und einer Kuh begrüßt. Und sonst niemandem. Unsere Gastgeber waren noch nicht da. Es ist ein aktiver Bauernhof und sie hatten wohl zu tun. Wir riefen in eine der offenen Türen und bekamen sogar eine Antwort, aber nicht von unseren Gastgebern, sondern von einer anderen deutschen Wanderin. Alex hatte schon einige Zeit länger gewartet und in der Zwischenzeit wenigstens duschen wollen. Da wir nichts anderes zu tun hatten, setzten wir uns draußen hin und harrten der Dinge, die da kommen sollten. Das einzige, was uns leicht nervös machte, war das Donnergrollen in der Ferne. Letztendlich wurde daraus aber nichts und nachdem wir etwa eine Stunde lang die Aussicht genossen hatten, kamen unsere Gastgeber auch endlich und zeigten uns unsere Zimmer für die Nacht.

Wir vier an einem Tisch vor einem Steinhaus"
Etwas weniger frisch am Ende der Wanderung (auch wenn's nur 15 km waren) warten wir auf unsere Gastgeber.
Das White Lion Inn in Patterdale von der Straße aus. Ein schmales weißes Haus mit schwarzen Akzenten an den Ecken
Ein typisch englisches Country Inn: das White Lion Inn in Patterdale. In dem niedrigeren Gebäudeteil im Hintergrund ein Pub, ein paar Räume für Übernachtungsgäste im Vordergrund. Das Pub war krachend voll, etwas, das mich immer wieder an diesen englischen Dorfkneipen fasziniert.

Da wir an diesem Abend noch keine Pläne für's Abendessen hatten, machten wir uns wieder auf den Weg nach Patterdale, wo wir einen Platz im White Lion Inn ergattern konnten. Und "ergattern" ist der richtige Ausdruck, denn das Pub war brechend voll. Die Fish & Chips waren allerdings lecker.

Wir vier im White Lion Pub. Manu & Markus küssen sich.
Ein sehr traditionelles, etwas enges Dorf-Pub mit leckerem Essen. Oh und Küssen, auch wenn ich relativ sicher bin, dass die nicht auf's Haus gingen.
Ein Straßenschild "Red squirrels crossing" - "Rote Eichhörnchen queren die Straße"
Ich bin mir nicht so ganz sicher wie gefährlich (oder doof) die Eichhörnchen in der Gegend sind, aber anscheinend muss man die Autofahrer vor ihnen warnen.

Tag 5: Eine Art Aufwiedersehen - Entlang Ullswater nach Bampton

Noran Bank Farm ist ziemlich alt (ca. 400 Jahre) und die Besitzerin sammelt Teile der Familiengeschichte in einem Ausstellungsraum, der auch für's Gästefrühstück genutzt wird. So hatten wir eine einzigartige Sammlung alter Bilder, Zeitungsartikel, Gemälde und anderer Erinnerungsstücke als Kulisse für unseren Morgen, bevor wir uns auf den Weg machten.

Wir vier im Frühstücksraum der Noran Bank Farm. Die Wände sind mit Erinnerungsstücken aus der Familiengeschichte tapeziert
Frühstück im Familienmuseum. Auch mal ne Atmosphäre

Wir beschlossen, an dem Tag getrennte Wege zu gehen. Josie und Tobi waren auf dem Weg zu Kidsty Pike, dem höchsten Gipfel im Lake District, und folgten dabei dem offiziellen Weg des Coast to Coast Walk. Da Manus Knie am Vortag Probleme gemacht hatten, wollten wir eine einfachere Route gehen und liefen entlang Ullswater, über Tarn Moor runter ins Tal nach Bampton.

Manu & Markus küssen sich vor den Hügeln des Lake District
Sozusagen ein Abschied von den Hügeln des Lake District. Auch wenn wir sie am nächsten Tag noch in der Ferne sehen würden, war Ullswater die letzte Wanderung im Lake District selbst. Außerdem, was soll das Geknutsche schon wieder?

Ullswater ist der zweitgrößte See im Lake District (der größte ist Windermere etwas weiter südlich) und gilt schon lang als einer der schönsten. Seit über 150 Jahren fahren Dampfschiffe Touristen zu verschiedenen Anlegestellen entlang des Ufers. Sogar der damalige deutsche Kaiser Wilhelm II. im Jahr 1912 besucht und sich auf der M.Y. Raven um den See kutschieren lassen. Das hat ihn nicht davon abgehalten, zwei Jahre später einen Weltkrieg zu beginnen. Wahrscheinlich ist dem Mann die Schönheit der Gegend einfach entgangen.

Ein Dampfschiff auf dem Wasser
Einer der Ullswater Steamers. Der Silhouette nach zu urteilen is es vermutlich die "Lady of the Lake", die älteste der Ullswater Steamers und eine der ältesten noch im Dienst befindlichen Fähren der Welt.

Der Wanderweg war ein schöner kleiner Pfad oberhalb der Küste von Ullswater nach Howtown, wo wir in Richtung Tarn Moor abbogen.

Manu läuft über unruhigen Untergrund auf einem schmalen Pfad durch den Wald
Der Pfad entlang Ullswater verläuft versteckt unter Bäumen und zwischen Farnen, was ihm ein einsames und abgeschiedenes Gefühl verleiht.
Ullswater im Hintergrund über eine Trockenmauer hinweg
Der Weg auf's Tarn Moor bietet nochmal einen schönen Blick auf Ullswater, wie es sich zwischen die Hügel des östlichen Lake District schmiegt. Fühlt sich an, als würde sich die Gegens nochmal verabschieden wollen, bevor man sie für flachere Gefilde verlässt.

Tarn Moor ist nicht wirklich groß, nur ein Plateau, bevor das Gelände in Richtung Bampton abfällt. Die Wege sind brauchbar und so waren wir in recht kurzer Zeit (und lange bevor Josie und Tobi ihre deutlich anspruchsvollere Strecke hinter sich gebracht hatten) an unserer Unterkunft. Es gab nur ein kleines Problem: Die Schlüssel waren in einem Kasten mit einem Code eingeschlossen, und wir hatten keine Ahnung von diesem Code, was wir mangels Netzzugang auch nicht ändern konnten. Selbst das wäre kein Problem gewesen (wir mussten ja schon am Vortag etwas warten), aber heute spielte das Wetter nicht mit. Es hatte sich ein heftiger Regenschauer zusammengebraut. Kurz bevor wir aufgeben und die Flucht aus dem Tal an einen Ort mit Handyempfang ergreifen wollen, feuerte eine Synapse tief in meinem Hirn und mir fiel der Code ein, den Josie Tage zuvor in irgendeinem zufälligen Zusammenhang erwähnt hatte. Kurz vor dem Wolkenbruch öffnete sich die Tür für uns und wir waren sicher. Unsere Unterkunft war eine umgebaute ehemalige Kutschenscheune. Die großen Tore waren durch Fenster ersetzt worden, wodurch der gesamte Hauptraum sehr luftig und hell wirkte. Wir streckten uns auf dem Boden vor dem Kamin aus und waren froh, drinnen zu sein (und hatten ein wenig Mitleid mit Josie und Tobi, die in den Bergen dem Wetter trotzen mussten).

Manu & Markus von oben auf dem Boden vor einem Kamin ausgestreckt
Die Unterkunft war hell und gemütlich gleichzeitig. Wir konnten schonmal etwas die Ruhe genießen, währen die beiden anderen sich noch durch den Regen kämpfen mussten.
Ein Schild mit vielen Rechtschreibfehlern warnt vor Eichhörnchen auf der Straße
Anscheinend schreiben die Eichhörnchen um Bampton ihre Warnschilder selbst.

Ich habe den Gepäcktransport ja schon erwähnt. Ryebank Cottage war ein interessantes Beispiel dafür, wie das funktioniert: Irgendwann am Tag holte der Fahrer unsere Sachen in Patterdale ab und brachte sie nach Bampton. Da dort tagsüber niemand ist, werden die Sachen einfach an einem an einen vereinbarten geschützten Ort abgelegt. In diesem Fall: ein alter Kohlebunker auf der Rückseite des Grundstücks. Auf diese Weise sind sie vor Regen geschützt und wir können direkt an unsere Sachen, wenn wir ankommen.

Unser Koffer und Rucksack in einem alten Kohle-/Holzbunker im Garten
Ein interessanter Ort, um die Sachen vorm Regen zu schützen. Bei jeder Übernachtung gab es irgendeine Möglichkeit, das Gepäck von Sherpa Van in Empfang zu nehmen. Entweder war jemand da und wir fanden unsere Sachen bereits in unseren Zimmern oder es gab Lösungen wie diese, bei der die Sachen in einer Art Verschlag untergebracht wurden, um sie vor den Elementen in Sicherheit zu bringen

Da es diesmal kein Pub in der Nähe gab, verbrachten wir einen ruhigen Abend zuhause und gingen früh schlafen.

Tag 6: Zurück in die Schule - Bampton nach Tebay

Wir vier in der Unterkunft in Bampton. Manu & Markus am Aufbrechen, Josie & Tobi machen sich noch fertig
Mittlerweile hatten wir uns eine Routine zurechtgelegt. Manu & ich starteten eher früh, Josie und Tobi folgten etwas später. Normalerweise hatten wir dann eine längere Mittagspause und vielleicht ein kurzes Nickerchen, so dass die beiden uns einholen konnten.

Der nächste Tag hielt eine kleine Überraschung für uns bereit: Wir trafen Alex wieder. Sie wohnte in Bampton Grange (im Grunde das gleiche Dorf, nur ein paar Meter weiter) und machte sich etwa zur gleichen Zeit auf den Weg. Wir liefen also einen Teil des Weges zusammen und quatschten über alles mögliche. Sie stammt aus Deutschland, war aber nach Oxford gezogen, um dort in Geschichte zu promovieren. Sie war auch auf dem Coast to Coast unterwegs, aber doch etwas fixer als wir. Sie wollte 2 Tage vor uns fertig sein. Wir verbrachten ein paar schöne Stunden zusammen und besuchten Shap Abbey, überquerten die M6 (ein ziemlicher Kontrast zum beschaulichen Lake District) und trennten uns schließlich in der Nähe von Oddendale, wo sie das Dorf erkunden wollte, während wir uns nettes Plätzchen zum Mittagessen suchten.

Shap Abbey abbey ist (OK, war) eine Abtei mitten im Nichts. Heute ist es (wie quasi alle alten Klöster) eine Ruine, die von English Heritage gepflegt wird.

In der Nähe von Shap Abbey gab es etwas, das uns auf unserem Weg immer wieder positiv auffiel: Versorgungskisten. Das sind Boxen, die von netten Anwohnern entlang der Fernwanderwege aufgestellt werden und in denen sich allerlei nützliche Dinge für Wanderer befinden: Energieriegel, manchmal auch selbstgebackene Energieriegel oder Kuchen, Erfrischungsgetränke, Dinge gegen Blasen, was das Herz begehrt. In der Regel gibt es auch eine Art Kasse des Vertrauens, in der man für die mitgenommenen Sachen bezahlen kann. Man sollte sich nicht darauf verlassen, eigenes Essen ist immernoch zwingend notwendig, aber es ist eine schöne Geste und man bekommt ein paar Dinge, die man normalerweise nicht rumtragen würde.

Mittag gab's wieder vom Gaskocher. Das Zeug sah... etwas merkwürdig aus, bevor wir heißes Wasser draufgekippt hatten. Nein, weder ne Schnecke, noch ein Häufchen. Das ist die eingekochte Soße für die Fertignudeln, frisch aus der Packung gequetscht. Ich find's immernoch lustig.

Eine Schüssel Fertignudeln mit einer merkwürdigen braunen Wurst obendrauf
Ich schwöre, es ist die Suppe!

Da der Lake District und seine abgelegenen Bergpfade nun vorbei waren, folgte der C2C den traditionelleren öffentlichen Wegerechten. Früher waren dies in der Regel Wege für arme Leute, die sich zwischen Feldern und Einfriedungen durch die Gegend bewegen mussten. Mit dem Aufkommen moderner Landwirtschaft wurden die Felder immer größer, aber die Wege blieben bestehen. Deshalb klettert man über Trockenmauern, kriecht durch Hecken, überquert Weiden mit Schafen (kein Problem), Kühen (je nachdem, ob es einen Stier gibt) oder Pferden (sehr scheue und manchmal aggressive Tiere) oder läuft sogar mitten durch Felder, wo die Bauern einen Weg durch die Pflanzen freigelassen haben. An diesem Tag mussten wir sogar den Friedhof in Orton überqueren, weil genau dort nunmal der Weg schon immer war. Eine kleine Lücke in der Friedhofsmauer, ein kurzer Spaziergang zwischen den Gräbern und zum Haupttor raus, um dem Pfad des C2C zu folgen.

Manu & Markus auf einer Trockenmauer
Über die Mauer..
Manu quetscht sich durch eine schmale Lücke in einer Trockenmauer
... oder durch.
Manu verschwindet in einer Hecke
Durch Hecken...
Manu läuft über ein frisch gepflügtes Feld, auf dem nur der Pfad intakt gelassen wurde
...und Felder und Dutzende andere verrückter Orte. Wo auch immer die Bevölkerung in der Vergangenheit langgelaufen ist, darf sie heute auch noch langlaufen.

Diese Art den Weg zusammenzusetzen gibt ihm ein gewisses "verbotenes" Gefühl, so als würde man wo lang laufen, wo man eigentlich nicht sein darf, als würde man Dinge sehen, die man nicht sehen sollte (was alles nicht stimmt, aber das Gefühl ist interessant).

Das kann manchmal etwas problematisch sein (vor allem, wenn der Weg nicht deutlich markiert ist, was beim C2C an den meisten Stellen absichtlich nicht der Fall ist). In Orton mussten wir den C2C verlassen, um nach Tebay zu kommen, wo wir im alten Schulhaus gebucht hatten. Wir folgten dem ausgeschilderten Pfad und kamen an einen Punkt, an dem wir dachten, dass wir richtig waren, aber anscheinend waren wir es nicht. Der Weg endete einfach vor einer Mauer (wahrscheinlich hatten wir eine Abzweigung verpasst). Also mussten wir zurück und dann sogar die Schafweide von jemandem überqueren, um wieder auf die Straße zu gelangen und ihr in Richtung unseres Ziels zu folgen. Wir sind also so halb illegal über einen - wenn auch auf einem sehr gut ausgetretenen - Pfad durch ein Feld. Schien niemanden zu stören, der uns begegnete.

Tebay liegt direkt an der M6, war also nicht ganz so ruhig wie unsere letzten Unterkünfte. Wir hatten noch ein gutes Abendessen im Cross Keys Inn, watschelten zurück zu unserem B&B (das konnte man nach dem reichhaltigen Abendessen nicht mehr "laufen" nennen) und waren wieder recht früh im Bett.

Wir vier von oben. Alle starren auf ihre Teller und wollen loslegen.
Nein, wir lassen nicht die Köpfe hängen. Wir warten drauf, dass das Bild fertig wird, damit wir endlich loslegen können. Wir brauchen doch aber die Selfies, Leute!

Tag 7: Auf in den nächsten Nationalpark - Orton nach Kirkby Stephen

Der nächste Tag begann nicht in Tebay. Frühstück war zwar noch im Schulhaus, aber dann wurden wir vom Besitzer der Herberge zurück nach Orton an den C2C gefahren. Tebay ist für C2C-Wanderer ein wenig ab vom Schuss. Wir hatten nur dort übernachtet, weil in der Umgebung von Orton nichts zu finden war. Der Besitzer der Unterkunft hatte uns daher angeboten, uns wieder zum Ausgangspunkt für den Tag zu bringen.

Wir vier beim Frühstück
Frisch gestärkt und mit einem Full English auf dem Teller starteten wir den nächsten Tag gemeinsam. Unser Gastgeber brachte uns zurück nach Orton, so dass wir zur gleichen Zeit aufbrechen mussten. Doch durch unsere unterschiedlichen Wanderstile verloren wir uns schnell wieder aus den Augen und fanden erst am Ende des Tages wieder zusammen.

Nachdem wir am Vortag den Lake District verlassen hatten, waren wir nun bereit für unseren nächsten Nationalpark: die Yorkshire Dales. Die Dales haben eine viel sanftere Landschaft. Mehr sanfte Hügel, weniger steile Klippen. Außerdem: keine Seen. Unser Ziel für diesen Tag: Kirby Stephen, eine kleine Stadt mit nicht ganz 2.000 Einwohnern im westlichen Teil der Dales. Der Tag war eine eher ereignislose Ansammlung von Kletterpartien über Mauern, Wanderungen durch Schafwiesen, Durchquerung eines Moors (Ravenstonedale Moor, obwohl das nicht wirklich wie ein Moor aussieht, sondern sondern nur eine große Wiese. Kein Heidekraut, kein Moor, kein Schlamm, nichts. Na ja, Schafe, aber das war ja zu erwarten. Ich glaube ja, die sprießen dort einfach aus dem Boden und die Menschen leben mit ihnen.), ein paar Hügel rauf und runter. Der einzige merkwürdige Teil der Wanderung war ein Ort mit der Bezeichnung "Giant's Graves", obwohl wir dort weder Riesen noch Gräber gesehen haben. Unterwegs gab's allerdings eine ganze Menge schöner Aussichten.

Ein kleiner Bach unter einer Steinbrücke zwischen grünen Hügeln
Laut Karte: Scandal Beck. Keine Ahnung, welcher Skandal hier vorgefallen ist.
Ein altes Viadukt über einen kleinen Bach
Das Smardale Gill Old Viaduct, eine 27 Meter hohe Eisebahnbrücke aus dem Jahr 1861. Die Strecke wurde 1962 geschlossen. Heute kann man (nach der Restaurierung des Viadukts), die Brücke zu Fuß überqueren.
Eine moderne Diesellok überquert eine kleine Brücke über den Pfad
Kurz vor Kirby Stephen, taucht der Pfad unter der Settle to Carlise Line durch, einer der Hauptstrecken in Nordengland.
Ein Holzwegweiser mit der Aufschrift "C2C"
Der erste auf der Tour (abgesehen von der Säule am Startpunkt): ein Wegweiser der den Coast to Coast Walk anzeigt. Die werden im östlichen Teil etwas häufiger. Wahrscheinlich nach der Anerkennung als offizieller Wanderweg umso mehr.

Das Besondere an diesem Tag kam ganz zum Schluss. Unsere Unterkunft für die Nacht mit dem unverdächtigen Namen Kirkby Stephen Hostel ist eine alte, entweihte Methodistenkapelle, die zu einer Herberge umfunktioniert wurde, was ihr eine interessante Atmosphäre verleiht. Die Küche ist dort, wo früher der Altar war, der Hauptraum voller Sofas war mal der Versammlungsraum der Gemeinde. Teilweise sind noch die alten Kirchenfenster vorhanden (auch wenn die meisten von ihnen nicht mehr aus Bleiglas sind oder es nie waren). Denise, die Gastgeberin, hatte ihre Enkelkinder zu Besuch. Die 360-Kamera und dazugehörige App waren natürlich der Hit: Fotos zu machen und überall virtuelle Sticker verteilen. Noch etwas Tee und eine Runde Faulenzen auf den Sofas, bevor wir uns auf die Jagd nach was zu Essen machten.

Die umgewandelte Kapelle hat schon was besonderes als Hostel. Wenn man mein Gesicht in der Ecke ignoriert, zumindest...

In Kirkby Stephen in einer alten Kirche wohnen passt zum Thema: "Kirkby" heißt soviel wie "Kirche bei/in der Nähe von".

Manu & Markus vor der alten Kirche, die heute das Kirby Stephen Hostel ist
Die alte Kirche sieht natürlich auch außen passend aus.

Tag 8: Alte Steine, TV-Stars und die Mongolei - Kirkby Stephen nach Keld

Wir vier genießen die Sonne auf einer kleinen Steinbrücke über einem Fluss
Noch mal schnell die Sonne genießen bevor's losgeht.

Wenn man Kirkby Stephen in Richtung Keld verlässt, kann man fast sehen, wie Wainwright einem über die Schulter lächelt. Nach zwei Tagen mit wenig bis gar keinen Hügeln gibt es endlich wieder einen ordentlichen Anstieg. Morgens schnell noch ein paar Lebensmittel eingekauft, Sonnencreme aufgetragen und auf zu den Nine Standards. Diese fast 450 m über Kirkby Stephen gelegenen Steinhäufen sind unbekannten Ursprungs. Sie sollen eine Art Grenzmarkierung sein (und zwar eine ziemlich grandiose, muss man sagen). Sie befinden sich lustigerweise geradeso außerhalb des Yorkshire Dales National Park, obwohl die obwohl die ganze Gegend so aussieht, als gehöre sie dorthin.

Manu von hinten mit Blick über das Tal mit Kirkby Stephen im Hintergrund
Geht schon ganz schön aufwärts von Kirkby Stephen. Was natürlich einen spektakülären Blick ermöglicht.
9 große Steinhäufen
Die Nine Standards, angebliche Grenzmarkierungen, stehen auf dem Hartley Fell. Ich muss gestehen, dass ich nicht ganz verstehe, was für eine Grenze sie markieren sollen. Sie stehen ziemlich dicht beieinander, vor ihnen liegt ein steiler Abhang in Richtung Kirkby Stephen, hinter ihnen ein schlammiges Moor. Wahrscheinlich eine Art Schwanzvergleich zwischen Häuptlingen in früheren Zeiten.
Wir genießen den Blick zurück nach Kirby Stephen (und natürlich das Panorama rundrum) mit den Nine Standards hinter uns.

Nach einem schnellen Mittagessen (wieder mit dem Gaskocher. Ein interessantes Unterfangen an einem so windigen Ort wie der Nine Standards Rigg) machten wir uns auf den Weg nach Süden über das Moor und White Mossy Hill bis wir wieder nach Osten in Richtung Ravenseat abbogen. Manu hatte gelesen, dass es dort einen Tea Room gibt, was uns gerade recht für einen Cream Tea kam.

Manu überquert vorsichtig einen Schlammtümpel im Moor.
Wähle deine Schritte sorgfältig! Wir haben die Regel, dass wir im Falle eines Unfalls erst Fotos machen und dann helfen (außer bei echter Gefahr, natürlich).
Manu auf riesigen Steinen, die einen Weg durch das Moor bilden. Der Weg ist an einigen Stellen relativ tief eingeschnitten.
Da der C2C quer durch das Moor verläuft, sind Touristen, die einfach nur wandern gehen, die Hauptursache von Erosion. Der feuchte Torf und die Pflanzen darauf sind Tausenden von Füßen, die das ganze Jahr über darauf herumtrampeln, nicht gewachsen, vor allem wenn es geregnet hat. Offenbar sind schon viele Touristen im Schlamm stecken geblieben und mussten gerettet werden. Deshalb hat man vor einigen Jahren damit begonnen, Wege aus großen Steinenplatten anzulegen, um die empfindlichsten (und gefährlichsten) Teile des Moors zu schützen. Man sieht deutlich, wie tief sich die alten Wege bereits in den Boden eingegraben hatten und wie wenig sich die Pflanzen erholt haben. Außerdem erleichtern diese Wege die Orientierung im Nebel, der in diesem Moor ein häufiger Gast ist.

Wir kamen noch rechtzeitig zum Cream Tea in Ravenseat an (sehr zur Freude von Manu). Ein sehr energiegeladenes kleines Kind nahm unsere Bestellung auf und servierte uns mit viel Lärm und einer Menge Informationen über ihren Schulalltag zwei köstliche Tees. Wunderbar um unsere Batterien wieder aufzuladen...

Markus lächelnd am Tisch mit zwei Cream Teas vor sich
Ja, Cream Tea ist eine Tradition, die um jeden Preis am Leben erhalten werden sollte. Ja, es ist hauptsächlich ein Touristen-Ding, aber da ein Großteil Englands ohnehin in ein Museum verwandelt wird, passt das gut.

Während wir unsere Leckerei genossen, meldete sich die Dame am Nebentisch mit "Sind Sie wegen der Show hier?" Was für ne Show? Nein, wir sind nur normale Touristen die den Tea Room bei Google gesehen haben... Es stellte sich heraus, dass die Besitzer der Ravenseat Farm in Großbritannien eine Art Berühmtheit sind (oder waren). Die Mutter der der Familie, Amanda Owen erlangte zuerst auf Twitter eine gewisse Berühmtheit, wo sie über ihr Leben als Hirtin und Mutter von 9 Kindern in einem abgelegenen Tal der Yorkshire Dales schrieb. Nachdem sie und ihre Familie in einigen Dokumentarfilmen auftraten, bekamen sie ihre eigene Sendung auf Channel 5 mit dem Titel "Our YOrkshire Farm" (die inzwischen 2022 abgesetzt wurde, nachdem sie und ihr Mann sich getrennt hatten, wie das Klatsch-Internet weiß. Der Tea Room ist auch geschlossen, sollte man also beachten bei seinen Planungen...). Das war offenbar die Sendung, auf die sich die Dame bezog. Wir wussten es nicht (und waren, um ganz ehrlich zu sein, nur mäßig interessiert), wir wollten einfach nur einen Cream Tea.

Manu blickt über das malerische Swaledale das sich vor uns davonschlängelt
Ravenseat Farm befindet sich am Ende eines doch recht schönen Seitenarms des Swaledale.

Nachdem wir den Tee genossen hatten, machten wir uns auf die restlichen Kilometer durch das Swaledale in Richtung Keld. Unser Zuhause für die Nacht war wieder etwas Besonderes: Original (so hieß es) mongolische Jurten bei Swaledale Yurts in Keld. Wir hatten eine Jurte mit Abendessen gebucht (danke an die Leute von der Ravenseat Farm, dass wir ihr Telefon benutzen durften, um das sehr leckere Abendessen von unterwegs zu buchen) und aus einer Laune heraus beschlossen, auch eine Stunde im Whirlpool zu buchen. Nicht so sehr asketische Wanderer, eher Luxusurlaub an diesem Abend. Das Abendessen bestand aus einem köstlichen Shepherd's Pie für Manu und ebenso leckeren Currys für den Rest von uns. Es wurde in der Jurte serviert, und wir genossen das Essen, bevor wir in den Whirlpool hüpften.

Eine mongolische Jurte auf einer Wiese in den Yorkshire Dales
Anscheinend kann man die Jurten direkt in der Mongolei bestellen, was unsere Gastgeber getan hatten. Sie hatten sie auf ihrem Zeltplatz aufgestellt, so dass Leute wie wir sie genießen können.
Die Jurten sind echt geräumig. Wir hatten eine zu viert (mit jeweils zwei Doppelbetten). Man könnte dort aber locker mit 6 bis 8 Leuten übernachten ohne sich auf die Füße zu treten.
Wir vier sitzen um einen Tisch in der Jurte mit vier Tellern mit Essen vor uns.
Ein köstliches Essen in einer gemütlichen Jurte in einem der abgelegensten (und wohl auch schönsten) Teile der Yorkshire Dales. Viel mehr kann man sich im Leben nicht wünschen, würde ich sagen. Außerdem: Haltet einfach mal kurz den Kopf still, Leute!

Der Whirlpool war schon interessant. Man kann sich aussuchen, ob man nackt hineingehen möchte oder nicht (haben wir gemacht), denn er befindet sich in einem kleinen Schuppen, der auf den einsamen Swaledale zeigt. Da kommt keiner vorbei. Es gab nur eine winzige Sache, die unsere Gastgeber vergessen hatten zu erwähnen: Es gibt einen kleinen Pfad, der etwa 4 Meter vor der Hütte hinunter zu einem Wasserfall führt, der sich auf dem Grundstück befindet. Das ist zwar kein öffentlicher Weg, aber die anderen Gäste des Campingplatzes können ihn benutzen, um zum Wasserfall zu gelangen. Das tat ein Ehepaar Ende Vierzig/Anfang Fünfzig dann auch. Als sie das erste Mal auf dem Weg nach unten vorbeikamen, waren wir alle im Wasser, so dass man nichts sehen konnte. Der Mann ging ganz vorne, den Blick fest nach vorn, (vermutlich) weil seine Partnerin ihn scharf im Blick hatte. Als sie wieder hochkamen, passierten zwei Sachen: Erstens war Manu aus dem Wasser und füllte die Weingläser nach. Zweitens war der Mann so clever, dieses Mal hinten zu laufen. So konnte er die Aussicht ausgiebig genießen. Und beschloss, die Gelegenheit mit einem Daumen hoch und einem idiotischen Grinsen in unsere Richtung zu feiern. Ich meine... halt einfach die Klappe und genieß die Aussicht in aller Ruhe! (Uns war's egal, aber er hat sich ziemlich lächerlich gemacht, denke ich. Außerdem: Nein, es gibt kein Bild von Manu, wie sie die Weingläser nachfüllt. Spart euch die schmutzigen Fantasien! Die brauch ich selbst!)

Die Nacht war interessant. Sehr gemütlich. Anfangs sehr, sehr warm, weil die Sonne die Jurte deutlich aufgeheizt hatte, wurde es dann doch ziemlich frisch im Verlauf der Nacht. Uns ging's in den warmen Betten aber gut.

Tag 9: Ein alter Traktor und ein paar Fahrräder - Keld nach Reeth

Unsere Tage in den Dales neigten sich schnell dem Ende zu. Tag 9 und schon waren wir an der östlichen Grenze des Dales-Nationalparks. Aber auf dem Weg dorthin konnten wir das atemberaubend schöne Swaledale in seiner ganzen Pracht in der Sonne genießen.

Manu sitzt auf einem alten stehengelassenen Traktor der als Wegpunkt dient
Das Buch hatte keine Witze gemacht. Da steht ein Traktor. Manu hat Spaß damit.

Ich habe ja bereits erwähnt, dass der C2C den Beschreibungen in einem Buch folgt. An einer Stelle des Buches ist die Rede davon, an einem alten Traktor abzubiegen. Wie bitte? Er ist offensichtlich, wenn man ihn sieht. Es gibt tatsächlich einen alten verlassenen Traktor (ohne Räder, aber, sehr wichtig für die Bilder, mit dem Lenkrad) der irgendwo in den Hügeln über Swaledale auf dem Weg steht. Der steht da schon seit Ewigkeiten, wie es scheint, und rostet langsam vor sich hin. Er diente Wanderern fleißig als Wegweiser, um in diese oder jene Richtung abzubiegen und wurde wahrscheinlich auf Tausenden von Fotos verewigt. Er wird in der kollektiven Erinnerung weiterleben weit über seinen ursprünglichen Besitzer hinaus, wer auch immer das gewesen sein mag.

Der verlassene Traktor ist einigermaßen symbolisch für die Geschichte der Gegend. Swaledale (wie auch weite Teile der Dales insgesamt) war in früheren Zeiten ein Bergbaugebiet. Die Landschaft ist übersät mit Ruinen von Bergarbeiterhütten, kleinen Bauernhäusern und Wassermühlen für die Verarbeitung von Erzen. Im Swaledale wurde jahrhundertelang Blei abgebaut, bis der Bergbau langsam weniger wurde und schließlich Ende des 19. Jahrhunderts ganz aufhörte. Heute zeugen nur noch vereinzelte Ruinen von der arbeitsreichen Vergangenheit der Gegend. Die heutige Wirtschaft baut mehr darauf, dass die Menschen die Schönheit und Einsamkeit der Hügel selbst genießen und nicht das, was unter ihnen liegt.

Markus blickt über einen Teil des Swaledale
Die Wanderung entlang des Swaledale bietet viele schöne Ausblicke. Der Fluss schlängelt sich am Grund des Tals entlang, flankiert von alten Mauern und dem einen oder anderen Haus.

Mein Wanderstock gehört zu den Dingen, die mir unterwegs echt ans Herz gewachsen sind (wie auf dem Bild zu sehen). Ich hatte ihn zum Spaß aus einer kleinen Eberesche gemacht, die ich im Wald gefunden hatte, und beschlossen, es mal damit zu versuchen. Ich mag diese modernen Teleskopstöcke, die Manu benutzt, nicht wirklich, aber die Vorteile, die es mit sich bringt, etwas etwas zum Abstützen zu haben, sind schon klar. In den Wochen vor unserer Abreise kämpfte ich mit ein wenig Übelkeit und einem allgemeinen Gefühl der Wackeligkeit (ideal, wenn man eine 300 km lange Wanderung machen will), Deshalb scherzte ich gerne darüber, dass ich "Gandalf der Wackelige" sei und "Du kommst nicht vorbei" etc.pp. Was der Stock aber wirklich bewirkt hat, ist, dass meine Schultermuskeln entspannt blieben. Außerdem macht er die Kletterei auf dem stellenweise recht unebenen Terrain des Weges deutlich angenehmen. Zuguterletzt war er ein guter Anlass für Gespräche, denn es ist ziemlich ungewöhnlich, heutzutage einen Holzstock zu verwenden. Die Leute machten mir immer wieder Komplimente über die Wahl meiner Wanderausrüstung.

Als wir losliefen, dachte ich, dass ich ihn irgendwann einfach wegwerfen würde, weil er mir zu schwer werden würde oder ich das Gefühl an den Händen nicht mag oder was auch immer. Da lag ich falsch. Ich habe ihn immer noch und sammle jetzt unsere Langstreckenwanderungen darauf. Jedes Mal, wenn wir mehr als 100 km zusammen wandern (oder mehr als 50, wenn unser Sohn mitläuft), brenne ich die Details (Ort, Zeit, Entfernung und ein Logo) auf einen neuen Ring um den Stock. Mal sehen, wie viele Kilometer ich in meinem Leben oder dem des Stocks sammeln kann.

Ein Blick das Swaledale hinauf mit dem Fluss in der Mitte
Je näher man der Grenze der Dales kommt, desto breiter und flacher werden die Täler.

Wenn man sich Reeth nähert, geht das Swaledale von einem eher tiefen Tal mit steilen Seiten in ein breiteres Tal mit sanfteren Hängen über. Die Schafsgehege ziehen sich wieder weiter die Hügel hinauf und sogar das eine oder andere Dorf liegt auf dem Weg. Man hat eindeutig das Gefühl, aus der abgelegenen Wildniszurück in die Zivilisation zu kommen (OK, zumindest ein bisschen). Das bedeutet allerdings auch, dass man wieder Schafsgehege durchqueren muss. Was dann wiederum bedeutet, dass man durch "Kissing Gates" (so genannt, weil sich die Leute angeblich an diesen Toren trafen, um ihre Liebhaber von den benachbarten Farmen zu küssen), über Mauern klettern oder sich durch sie hindurchzwängen muss.

Markus versucht sich durch eine schmale Lücke in einer Trockenmauer zu quetschen
Ich bin ja nun wirklich nicht fett, aber bei einigen der Durchgänge hatte ich schon so meine Probleme.
Zwei Schafe blicken durch eine Lücke in einer Mauer in die Kamera
"Guten Tag der Herr! Kann ich Sie für einen kleinen Spaziergang durch unser Gehege begeistern?"

Der zweite Teil des Nachmittags war von zwei Dingen bestimmt: über Mauern klettern/durch Öffnungen quetschen und einer angespannten/grummeligen/verärgerten Manu. Es gibt da diese merkwürdige Eigenschaft meiner Frau, dass sie umso sehr gereizter wird, je hungriger sie ist. Wir hatten geplant, wieder einen Cream Tea zu uns zu nehmen (diesmal in Reeth), aber die Zeit wurde knapp und Manu befürchtete, dass der Tea Room schon geschlossen haben würde. Das wiederum führte dazu, dass sie sich sehr über die Landschaft ärgerte (Mauern, Hügel, wissen schon…). Was wiederum dazu führte, dazu führte, dass ich einfach die Klappe hielt und weiterging. Es gibt Dinge, die man nach 12 Jahren Ehe lernt...

Schließlich haben wir es doch noch geschafft. Der Ivy Cottage Tea Room war noch offen und hatte einen wunderbaren Cream Tea für uns. Da konnte man eines der Wunder der Natur beobachten: eine grummelige Frau, die sich innerhalb von Sekunden wieder in meine liebe Angetraute verwandelte, nachdem sie einen Cream Tea vor sich hatte.

So gestärkt nahmen wir die verbleibenden 500 Meter bis zu unserer Unterkunft für die Nacht in Angriff: das Dales Bike Centre. Kein Scherz, wirklich ein Fahrradladen mit Zimmern drüber. Man kann sogar Fahrräder mieten, wenn man die Gegend erkunden möchte. Aber das Wichtigste: es gibt ein Café und eine Konditorei. Die waren zwar geschlossen, aber das machte nichts: Mit dem Zimmerschlüssel lässt sich auch das Café öffnen, so dass man rund um die Uhr Zugang zum Kuchen hat. Ich weiß nicht mehr was wir zum Abendessen hatten, aber ich erinnere mich an den Kuchen...

Ein kleines Schild "24 h cake access" - "24 h Zugang zu Kuchen"
Sehr wichtiges Prinzip: der 24-h-Kuchenzugang ist Bestandteil des Aufenthalts im Dales Bike Centre.

Tag 10: Abschiede - Reeth nach Richmond

Der 10. Tag brachte einen bitter-süßen Abend mit sich. Wir konnten einen langen Abend mit Josie und Tobi in Richmond genießen, der einzigen "richtigen" Stadt auf dem Weg, mussten uns am nächsten Morgen aber von unseren Freunden verabschieden.

Die eigentliche Wanderung ist ein bisschen verschwommen in meiner Erinnerung. Erstmal war's ein kurzer Tag (insgesamt nur 15 km durch eher einfaches Terrain). Sobald man aus den Dales raus ist, ist die Landschaft ziemlich flach und das Tempo nimmt ziemlich zu. Zweitens trafen wir zwei Engländer mitte 60, die den C2C in Abschnitten über 5 Jahre wanderten. Sie begannen jedes Jahr dort, wo sie im letzten Jahr aufgehört hatten, wanderten ein paar Tage und machten im kommenden Jahr mit dem nächsten Abschnitt weiter. Wir hatten eine Menge zu quatschen, so dass die Zeit wie im Flug verging, bis wir plötzlich das Ortseingangsschild von Richmond sahen.

![Eine kleine Mauer mit der Aufschrift "Richmond"](/img/c2c/richmond.jpg "Zurück an dem Ort, an dem wir (quasi) angefangen haben: Richmond, die einzige größere Stadt auf dem Weg. Und mit "größer" meine ich mehr als drei Großfamilien, die schon seit Jahrhunderten dort leben. Richmond hat satte 8.000 Einwohner. Nicht gerade eine Metropole, aber doch eine Abwechslung zu den Orten im Lake District oder in den Yorkshire Dales.")

Nachdem wir uns von unseren beiden Begleitern hatten, trafen wir uns wieder mit Josie und Tobi und nahmen unsere Zimmer im The Black Lion Hotel in Besitz. Diese Zimmer gehören definitiv zu den seltsamsten, in denen wir je übernachtet haben. Das lag nicht so sehr an den Zimmern selbst, die waren völlig in Ordnung. Aber um dorthin zu gelangen musste man sich auf eine Odyssee durch die Dachböden des Hotels begeben. Die Treppe hoch, durch die Tür, eine Treppe runter, um die Ecke, links, rechts, noch ein paar Treppen hoch, noch ein paar runter, bis wir endlich unsere Zimmer erreichten. Von wegen: "hier sind Ihre Schlüssel, Ihre Zimmer sind Nummer X und Y". Mehr so: "Ich bringe Sie hin". Zu unserer Erleichterung konnte man das Haus durch den Hintereingang direkt unter unseren Zimmern verlassen, so dass wir nicht riskieren mussten, uns auf dem Rückweg zu verlaufen (außer am nächsten Morgen. Da war ich so frei und habe den Weg vom Zimmer zum Ausgang aufgezeichnet. Es dauerte weit über eine Minute, mit durchaus zügigem Schritt).

Wir vier ziehen blöde Gesichter mit einem Flusstal im Hintergrund
So sieht's aus wenn man nicht müde ist, weil die Wanderung so kurz war.
Ein Schild "Goodburn House" ("Brennt gut"-Haus), Nummer 47
Humor haben sie schon... Ich bin mir nicht sicher, ob ein Zusammenhang besteht, aber direkt gegenüber von Goodburn House (sinngemäß: "Brennt gut"-Haus) wurde 1558 ein gewisser Richard Snell auf dem Scheiterhaufen verbrannt

Wir suchten noch ein paar Geocaches in der Altstadt und genossen etwas Kultur (OK, größtenteils alte Häuser und ein Friedhof), bevor wir für ein leckeres Abendessen im Restaurant unseres Hotels einkehrten. Der nächste Tag würde einen traurigen Abschied und eine sehr lange Wanderung für uns bringen.

Tag 11: Schon ein bischen langweilig - Richmond zur Lovesome Hill Farm

Tag 11 startete mehr so mittel: wir mussten uns von Josie und Tobi verabschieden. Die beiden hatte andere Termine und wollten vorher noch einen Abstecher nach York machen. Daher wollten sie sich den Rest des Weges für ein anderes Jahr aufheben. Wir wollten allerdings weiter. Also eine kurze Umarmung am Morgen und los ging's.

Wir vier umarmen uns mit traurigen Gesichtern
OK, die Gesichter waren etwas übertrieben, aber ein wenig traurig war's schon. Wir haben den C2C zusammen echt genossen. Vielleicht können wir das zu anderer Zeit an anderem Ort ja wiederholen.

Die Wanderung von Richmond in Richtung Osten ist ehrlich gesagt ein bisschen langweilig. Die Landschaft ist flach wie ein Teller mit überwiegend offenem Ackerland. Nichts im Vergleich zu den den wunderschönen Aussichten der beiden Nationalparks, die wir hinter uns gelassen hatten. Die einzige wirkliche Aufregung (auf die ich hätte verzichten können) war die Durchquerung eines Pferdegeheges mit einer sehr aggressiven Stute. Ich verstehe ja, dass sie nur ihr Fohlen beschützen wollte, aber trotzdem ist es etwas irritierend, wenn ein 700 kg schweres Tier wirklich will, dass man seinen Rasen verlässt! Das Feld voller junger Bullen war im Vergleich dazu eher friedlich. Sie waren wirklich hartnäckig und neugierig und wollten am Gatter wirklich nicht aus dem Weg gehen. Erst als ich meinen Stock über das Tor hob und den nächstbesten leicht anschubste, nach die Nachricht an und sie gingen zur Seite (aber bloß nicht zu weit! Diese seltsamen zweibeinigen Wesen waren immer noch sehr interessant!).

Ein Pferd starrt direkt in die Kamera
"Runter von meinem Rasen!" Hilfe, was für ein genervtes Pferd...

Wir trafen an diesem Tag ein paar nette Leute und wanderten den größten Teil des Weges mit einem Amerikaner, der den C2C alleine laufen musste, während seine Frau mit Bussen oder Taxis vorausfuhr. Das war eigentlich so nicht geplant, aber anscheinend hatte sie sich kurz vor ihrem Flug nach Großbritannien am Fuß verletzt und konnte die Wanderung deshalb nicht machen. Ich schätze, wenn man ein paar tausend Dollar bezahlt hat, um überhaupt an den Start gehen zu können, gibt man das Projekt nicht einfach auf und bleibt zu Hause. Also machte er sich jeden Morgen zu Fuß auf den Weg zu ihrem nächsten Aufenthalt, während sie die öffentlichen Verkehrsmittel (wenn es welche gab) oder ein Taxi nahm und dort auf ihn wartete.

Wir trafen auch (kurz) unsere Freunde vom Vortag wieder. Sie hatten ihre Etappe für dieses Jahr beendet und waren auf dem Weg zurück nach Hause. Im nächsten Jahr wollten sie wieder an der gleichen Stelle beginnen und weitergehen. Ich frag mich, ob sie das jemals gemacht haben. Das nächste Jahr war 2020 und es gab diese seltsame kleine Pandemie...

Manu läuft durch ein Feld einen schmalen Pfad entlang
Ja, das ist der richtige Weg. Wir haben uns nicht verlaufen und die Hecke im Hintergrund hat wirklich ein Loch zum durchkriechen.
Eine zweigleisige Zugstrecke unter einer Brücke
Keine Ahnung wieso, aber aus irgendeinem Grund fühlte sich das Überqueren dieser Strecke für mich wie das Betreten unbekannten Terretoriums an. Wir waren auf der East Coast Main Line auf dem Weg nach Richtmond unterwegs gewesen, so dass sich die Gegend hinter der Überquerung anfühlte, als hätten wir sie noch nie gesehen. Ergibt überhaupt keinen Sinn, aber das hat mein Hirn da draus gemacht.

Unser Tag endete auf der Lovesome Hill Farm, einem Bauernhof und B&B. Als wir dort ankamen, wurden wir von Mary (der Besitzerin) mit heißer Schokolade begrüßt. Genau die richtige Art der Entspannung nach einem langen (und recht warmen) Tag. John und Mary beide über 70 und betreiben die Farm seit einigen Jahren zusätzlich als B&B. Als sie sich aus dem Betrieb zurückzogen (der inzwischen von ihren Kindern übernommen wurde), beschlossen sie, den Coast to Coast Walk selbst einmal auszuprobieren. Das gefiel ihnen so gut, dass sie seitdem einfach weiter durch das Land wandern. Echte Vorbilder...

Manu & Markus genießen eine Tasse heiße Schokolade in der Sonne
Was für ein Leben... Ein schöner Garten, eine Tasse heiße Schokolade in der Hand und die Füße nach einer langen Wanderung in der Sonne entspannen.

Mary hatte außerdem noch ein leckeres Omlette zum Abendessen für uns in petto. Danach zogen wir uns in unsere gemütlichen Betten zurück, damit sich unsere müden Körper für die nächsten zwei anstrengenden Tage erholen konnten.

Tag 12: Weit, weit weg - Lovesome Hill Farm nach Clay Bank Top

Die Tage 11 und 12 dienten im Grunde nur der Durchquerung des breiten Tals zwischen den Dales und den North York Moors. Schon ein Blick auf die Karte zeigt, dass die Gegend einfach nicht mit dem mithalten kann, wo wir schon waren und wohin wir gehen wollten. Der Weg scheint im Wesentlichen einem schmalen Grünstreifen zu folgen, der sich zwischen weiten Feldern dahinschlängelt. Dies spiegelte sich in unserem Gefühl zu diesen beiden Wanderungen wider: Augen zu und durch!

Wir verließen die Lovesome Hill Farm mit einer langen Wanderung vor uns, genaugenommen der längsten bisher. 30 Kilometer bis zum nächsten Nationalpark: die North Yorkshire Moors.

Manu & Markus vor der Lovesome Hill Farm
Los geht's mit einem sehr langen Tag.

Die ersten 10 km waren nicht wirklich spannend. Flach wie ein Teller, die Hügel der Moore in der Ferne, als wollten sie uns locken, ohne dass wir ihnen näher kommen konnten. Wenigstens waren die Leute am Wegesrand kreativ. Ich hab ja schonmal erwähnt, dass öffentliche Wegerechte heute über private Grundstücke führen können, weil es vor einigen hundert Jahren einen Weg zwischen zwei kleinen Feldern gab, die inzwischen zu einem größeren Grundstück zusammengewachsen sind.

Manu neben einem Schild "Beware of the witch" - "Vorsicht vor der Hexe"
Ich hab's schon immer gesagt, aber mir glaubt ja keiner!
Ein ziemlich vollgestopfter Vorgarten in dem offenbar Zwerge leben, mit einer Vorsorgungsstation vor dem Zaun
Da macht jemand fleißig verschiedene Sorten von Flapjacks für hungrige Wanderer.

Wenn man zwischen den Nationalparks wandert, muss man auch eine ganze Menge Infrastruktur überqueren. Die Parks selbst haben im Grunde keine nennenswerte Infrastruktur, also müssen sich alle Straßen und Eisenbahnen dazwischenquetschen. So wie wir die M6 zwischen den Nationalparks Lake District und Yorkshire Dales überqueren mussten, hatten wir jetzt die A1(M) und die East Coast Main Line (am Vortag), sowie die A19 und den Middlesborough-Zweig der East Coast Main Line, bevor wir endlich wieder in die Ruhe eines Nationalparks eintauchen konnten.

Zwei parallele Gleise verschwinden am Horizont
Das öffentliche Wegerecht war schon da, als die Bahngleise gebaut wurden. Da es sich nur um einen kleinen Fußweg handelt, ist keine Brücke nötig. Also überquert man die Gleise direkt. Interessantes Gefühl...
Manu steht auf dem Grünstreifen zwischen den Spuren der vierspurigen A19
Genauso interessantes Gefühl: auf dem Grünstreifen zwischen den Spuren einer (gefühlten) Autobahn stehen. Die A19 muss man ebenso ohne Brücke oder Ampel überqueren.

Nach etwa 40 km flacher, ländlicher Landschaft konnten wir endlich wieder in die Natur eintauchen. Der Weg begann langsam anzusteigen in den Arncliffe Wood hinauf. Nach einem letzten Blick zurück auf die Ebene, die wir gerade durchquert hatten, drehten wir uns in die North York Moors um.

Manu & Markus von hinten blicken auf die Ebene zwischen den Yorkshire Dales & den North York Moors
Ein letzter Blick zurück auf die Yorkshire Dales, nachdem wir die etwa 35 km breite Ebene zwischen den beiden Nationalparks überquert hatten. Wir waren bereit für die letzte Etappe unserer Reise. Es fühlte sich an, als würden wir vertrauten Boden betreten, denn wir sind schon mehr als einmal im Moor gewesen (wenn auch nicht in diesem speziellen Teil)

Wir folgten der nördlichen Grenze des Moors und konnten dort den Blick weit in die Ebene bis nach Middlesborough schweifen lassen. Ein ziemlicher Kontrast zur ruhigen Umgebung der North York Moors: [Middlesborough] (https://en.wikipedia.org/wiki/Middlesbrough) ist eine dieser Industriestädte, die im 19. Jahrhundert entstanden sind. Heute leben immernoch etwa 150.000 Menschen dort. Da haben wir noch was spannendes erfahren an dem Tag: Die Stadt hat eine der niedrigsten Lebenserwartungen bei Geburt für junge Männer im Vereinigten Königreich, ganze 6 Jahre niedriger als in der Gegend, durch die wir gerade spazierten, nur 10 km südlich.

Der C2C trifft in diesem Gebiet auf zwei andere Fernwanderwege: Er teilt sich einige Kilometer Strecke mit dem Cleveland Way, einem 177-km-Wanderweg von Helmsley nach Filey, sowie mit dem Lyke Wake Walk, eine 64 km lange Wanderung durch die North York Moors.

Blick über ein ein weites Tal im Hintergrund mit dem oberen Ende eines Betonpfeilers am unteren Bildrand
Trig Points (Trigonometriepunkte) waren die Basis für die Vermessung der Landschaft lang bevor es GPS gab.

Ein interessantes Stück Infrastruktur, dem wir auf dem Kamm der Moore begegneten, sind Trig Points. Betonpfeiler mit einer dreiarmigen Messingplatte mit eingelassenem Schraubgewinde an der Spitze, die als Messpunkte für die Triangulation der Landschaft dienen können. Die Triangulation ist eine Methode zur Messung von Entfernungen durch Messung von Winkeln. Sie basiert auf der Tatsache, dass ein Dreieck durch die Länge einer Seite und die beiden angrenzenden Winkel komplett bestimmt ist (denn dann kann man immer die restlichen Seiten einzeichnen und sehen, wo sie sich schneiden). Um ein Gebiet zu vermessen, stellt legt man die Messpunkte einfach an markante Stellen fest, z. B. auf den Kamm eines Hochmoores, das ein großes Tal überragt, misst sehr, sehr genau die Winkel zu anderen Trigonometriepunkten und überzieht im Grunde das Gebiet mit einem Netz aus Dreiecken, die durch die Sichtlinien gebildet werden. Auf diese Weise erhält man die richtige Lage aller Elemente im Verhältnis zueinander, aber noch nicht die richtigen Abstände. Um diese zu erhalten, um diese zu erhalten, misst man nur - wiederum sehr genau - die Grundlinie eines einzigen Dreiecks und kann von dort aus jede andere Länge im Netz berechnen. So kann man aus dem Problem der genauen Messung großer Entfernungen in der Landschaft (was je nach Geografie sehr schwierig ist) das Problem der genauen Messung von Winkeln (was relativ einfach ist) machen. Bis zum heutigen Tag nutzen Vermessungsingenieure Theodoliten um genau solche Winkelmessungen durchzuführen (wenn auch mittlerweile in Kombination mit Laserentfernungsmessungen).

Manu & Markus blicken über ein Tal im Hintergrund mit einem Trigonometriepunkt vor ihnen
Das dürften die Vermesser während der großen Dreiecksvermessung gesehen haben. Die haben genauso über das Tal geschaut und die Winkel zwischen den verschiedenen Messpunkten vermessen. Das haben wir uns allerdings gespart und stattdessen den Ausblick genossen.

Die Trigonometriepunkte dienten als Referenzpunkte für die Retriangulation Großbritanniens zwischen 1935 und 1962, ein gigantisches Vermessungsprojekt, welches das Dreiecksnetz
über die Inseln neu aufspanntel. Das Schraubgewinde oben diente zur Befestigung des Theodoliten, damit man bei Bedarf immer wieder zuverlässig die gleiche Position hatte.

Am Trigonometriepunkt freuten wir uns, einen der ersten Punkte zu sehen, zu denen wir in der Gegend jemals gewandert sind: Roseberry Topping, ein einsamer Hügel direkt am Rande des Moors, der mit satten 322 m die höchste Erhebung der Gegend ist. Wir waren 2010 dort als wir das Moor zum ersten Mal besuchten und es umwanderten. Es fühlte sich ein bisschen an, als kämen wir nach Hause (was wiederum völlig irrational ist, weil wir Jahre zuvor nur einmal, auf der Durchreise dort waren, aber so war es).

Ein einsamer Hügel am Horizont
Roseberry Topping, ein weithin sichtbares Wahrzeichen und das Ziel einer unserer ersten Wanderungen in England vor vielen Jahren.

Die restliche Wanderung zehrte noch ziemlich an unseren Kräften, ein ewiges Auf und Ab über die verschiedenen Hügel entlang des Weges. Der übliche Vergang war also: einen Hang hinunter, kurze "Pause" für die Beine auf einem flachen Stück, den nächsten Hang rauf, bis wir die Wainstones auf Hasty Bank erreichten. Diese sind nicht sonderlich beeindruckend, nur ein paar schöne große Steinblöcke auf der Spitze eines Hügels, die die Leute zum Klettern benutzen. Sie sind jedoch ein guter Orientierungspunkt. Wir mussten unsere Gastgeber für die Nacht kurz anrufen, damit sie uns später abholen konnten. Der C2C führt über Clay Bank Top und verschwindet dort den Hügel hinauf. Da unsere Wanderung zu diesem Zeitpunkt bereits 30 km erreicht hatte, wollten wir eigentlich nicht mehr weitergehen. Die Unterkünfte direkt am C2C sind in dieser Gegend allerdings recht spärlich gesäät.

Ein paar große Steine auf einem Bergrücken
Nicht wirklich spektakulär, aber zumindest sind die Wainstones leicht zu erkennen.

Glücklicherweise waren Robin und Jenny von Forge House in Chop Gate bereit uns von Clay Bank Top abzuholen und am nächsten Morgen wieder dorthin zurückzubringen. Unsere Beine und Füße waren sehr, sehr dankbar dafür. Zum Abendessen empfahlen sie uns das The Buck Inn die Straße runter. Von außen ein recht traditioneller englischer Country-Pub, der aber von Wolfgang geführt wird. einem Mann, der vor vielen Jahrzehnten aus Franken ausgewandert ist. Die Speisekarte enthielt Einträge wie "Ein Duo von Bratwürsten mit Kartoffelpüree, Sauerkraut, Rotkohl und Zwiebelsoße", da er seine Herkunft nicht wirklich verleugnen konnte. Wir unterhielten uns kurz mit ihm und stellten erfreut fest, dass er auch nach all den Jahren immer noch seinen weichen fränkischen Dialekt hatte, wenn er Deutsch sprach. Manu fühlte sich sofort wie zu Hause.

Nach einem entspannten Abendessen kehrten wir zum Forge House zurück und setzten uns mit Robin in die Küche, wo wir bis spät in die Nacht über alles Mögliche quatschten. Er interessierte sich besonders für unsere Meinung zum Brexit, also brachen wir (wieder einmal) unser Versprechen, nicht über Politik zu reden, und teilten ihm unsere Verwirrung über die ganze Angelegenheit mit. Er interessierte sich auch dafür, wie wir in der DDR aufgewachsen sind und wie wir den Fall der Grenze 1989 erlebt haben. Er war zu dieser Zeit mit der britischen Armee in Westdeutschland stationiert und erzählte uns Geschichten darüber, wie er direkt nach der Grenzöffnung durch die DDR reiste. Es war interessant zu hören, wie jemand mit einer kompletten Außensicht das Land erlebte, in dem wir geboren wurden. Und er sprach sogar noch etwas Deutsch.

Nach einem sehr langen, anstrengenden, aber auch interessanten Tag fielen wir schließlich in unsere Betten, um uns zu entspannen und für den nächsten Tag zu erholen. Wir würden es brauchen...

Tag 13: Ich glaub die Füße sind durch - Clay Bank Top nach Glaisdale

Wie schon erwähnt, sind die Übernachtungsmöglichkeiten auf diesem Teil des Weges rar. Offensichtlich war dies kein Problem für Wainwright, für den 30 km eine normale Tageswanderung sind. Aber für normale Menschen ist das vielleicht ein bisschen viel, und wir waren schon erschöpft von der 30-km-Wanderung am Vortag (und den 25 km an Tag 11) erschöpft. Das verhieß nicht gerade Gutes für noch eine davon...

Robin setzte uns am Clay Bank Top, wieder auf den C2C-Trail ab, und wir begannen den Tag mit einem steilen 100-Höhenmeter-Anstieg auf dem ersten Kilometer, gefolgt von weiteren 80 Metern, verteilt auf die nächsten 3 km. Glücklicherweise flacht der Weg dann ab und folgt einfach den Höhenlinien über das Moor. Das macht die Wanderung zwar um einiges länger, aber wenigstens geht es nicht ständig auf und ab.

Manu klettert über ein einsam in der Landschaft stehendes Tor.
Nach zwei Wochen über Mauern und Zäune Klettern könnte man ein bisschen zu sehr an die Kletterei gewöhnt sein.

Der ganze Tag ist ein bisschen verschwommen, denn obwohl er wirklich schöne Ausblicke auf die North York Moors bietet, wird er in meinem Kopf immer noch von den letzten paar Kilometern dominiert. Wir machten eine kleine Pause in der Nähe von Blakey Ridge, fanden eine Wasserflasche im Gras, sahen ein Pärchen vor uns laufen, von dem wir dachten, sie hätten die Flasche verloren (hatten sie nicht, aber dazu kommen wir später), und begannen dann irgendwann den langen Weg runter nach Glaisdale. Dabei holte uns die Anstrengung endgültig ein. Manus Knie machte Probleme, nicht so sehr wegen des schweren Rucksacks, sondern einfach, weil die aufeinanderfolgenden Strecken der letzten drei Tage zu viel waren. Also durfte ich mich für kurze Zeit ganz männlich fühlen und zwei Rucksäcke tragen. Bis meine Füße anfingen, sich zu beschweren. Nun ja...

Übrigens, um noch Salz in die Wunden zu streuen, kurz bevor wir in Glaisdale ankamen, trafen wir einen Mann, der in die andere Richtung wanderte und unterhielten uns kurz. Es stellte sich heraus, dass er den C2C in umgekehrter Richtung lief und in 9 Tagen fertig werden wollte. Er war also an diesem Tag gestartet, war zu diesem Zeitpunkt etwa 40 Kilometer unterwegs und sah erheblich frischer aus als wir aussahen/uns fühlten.

Markus mit zwei Rucksäcken vorn und hinten
Natürlich war ich starker Mann! Zumindest für ein paar Kilometer, bevor meine Füße streikten.
Eine Plastikschale mit Kies nebem dem Weg
Den ganzen Tag hatten wir solche Schalen am Weg durchs Moor gesehen...
Ein paar Moorhühner laufen vor der Kamera weg
Am Abend erklärten uns unsere Gastgeber deren Sinn: Die Kästen enthalten normalerweise Futter für die Moorhühner (der Kies ist nur dafür da, dass die Kästen nicht weggeblasen werden), um genügend davon für reiche Leute zu haben, die später im Jahr zum Jagen kommen. Eine seltsame Tradition, die bei den Einheimischen nicht sehr beliebt ist, wie es scheint.

Wie zwei kaputte Veteranen humpelten wir weiter nach Glaisdale und zu unserem Zimmer für die Nacht. Wir wohnten in Greenhowe B&B, einem winzigen B&B mit nur zwei Zimmern, von denen wir definitiv das großartige Zimmer hatten. Im Grunde genommen war die gesamte obere Etage unter dem Dach ein einziger riesiger Raum mit dem Bett vor einem großen Fenster in einem Seitengiebel. Viel Platz, um uns einfach auf den Boden zu legen und uns zu den 60 km in 2 Tagen zu beglückwünschen (und auch uns selbst ein bisschen zu bemitleiden).

Ja, uns geht's bestens. Nein, wir sehen nur kaputt aus. Ein bisschen...

Als wir endlich wieder aus unserem Zimmer kamen, fragte uns Dick, der Gastgeber, ob er uns zum Abendessen in den örtlichen Pub fahren sollte. "Nee, wir gehen zu Fuß", sagten wir. Wir Idioten... Glaisdale ist nämlich erstaunlich hügelig, und der Pub liegt gut 80 Meter tiefer als unser B&B. Und bergab gehen war nach diesem Tag wirklich eine schlechte Idee. Während wir die Straße hinunterhumpelten, hatten die anderen Gäste des B&B die weitaus vernünftigere Entscheidung getroffen und das Angebot angenommen. Glücklicherweise hatte Dick auf dem Weg zurück Mitleid, sammelte uns unterwegs auf und fuhr uns doch noch runter. Dieses Mal hatten wir keine Einwände.

In der Kneipe trafen wir das Pärchen wieder, das vor uns im Moor unterwegs war. Wir fragten sie, ob das ihre Wasserflasche war, die wir da gefunden hatten (war sie nicht, also haben wir sie behalten. Seitdem haben wir sie allerdings auch wieder verloren. Vielleicht hat jetzt jemand anderes ein paar Jahre lang Freude daran und gibt sie dann zufällig weiter.) Sie erzählten uns ein bisschen von ihrem Tag: im Moor waren sie an einer Stelle ab falsch abgebogen, an der wir ihnen nicht folgen wollten, weil unser Buch was anderes sagte. Es stellte sich raus: unser Buch hatte recht. Während wir auf dem Kamm blieben und dem C2C folgten, verirrten sich die beiden ziemlich. Sie mussten sogar ein Feld mit einem Stier überqueren (nichts, was man wirklich gerne tut) und einen Abhang hinaufklettern (das Gelände wird ziemlich steil, wenn man den Kamm verlässt). Irgendwann waren sie erschöpft und unsicher, wo sie sich befanden, und wollten schon die Bergrettung rufen, als sie über sich Autos hörten. Sie waren nur ein paar Meter unterhalb der Straße gelandet, auf der wir kurz zuvor vobeigelaufen waren und was auch für sie der richtige Weg gewesen wäre. Glücklich, sich wieder zurechtgefunden zu haben, kamen sie etwa eine Stunde nach uns am selben B&B an. Und deshalb braucht man immer eine Karte mit Höhenlinien: wenn die Linien wirklich eng beieinander liegen, hat man wahrscheinlich eine wilde Kletterei vor sich (und sollte lieber einen anderen Weg suchen).

Der Weg in der Dämmerung zurück in die Unterkunft war dann ganz angenehm. Wir fielen in unsere Betten und waren vermutlich eingeschlafen, bevor unsere Köpfe das Kissen berührt hatten.

Tag 14: Zurück in bekannte Gegenden - Glaisdale nach Intake Farm

Der vorletzte Tag brachte uns zumindest kurzzeitig in vertrautes Gebiet: Auf der Tagesroute lag Grosmont, eine der Haltestellen der North Yorkshire Moors Railway, durch die wir schon oft mit der Bahn gefahren waren. Dieses Mal überquerten wir die Strecke senkrecht zu den Gleisen. Wir kamen aus dem Westen und gingen richtung Osten, so wie die zwei Wochen zuvor auch.g.

Manu & Markus am Frühstückstisch
Eine kleine Nische zum Frühstücken, das gute Porzellan, ein Full English Breakfast... viel britischer wird's nicht mehr.

Aber fangen wir am Morgen an: Nach einem sehr entspannten Frühstück und ein bisschen Smalltalk mit unseren Gastgebern, ging es zunächst einmal ordentlich bergab. Im Grunde den den gleichen Weg wie am Vortag zum Pub, nur dass wir dieses Mal entlang des Flusses Esk weiterwanderten. Unser erster Wegpunkt des Tages: Beggar's Bridge (oder Lover's Bridge). Der Legende nach wurde sie von einem gewissen Thomas Ferris gebaut, dem Sohn eines Kleinbauern (der vermutlich ziemlich arm war). Er war unsterblich in Agnes Richardson, die Tochter eines wesentlich reicheren Bauern, verliebt. Deren Vater war von der Beziehung wie zu erwarten nicht so begeistert. Die Liebenden trafen sich heimlich an der Stelle, an der heute die Brücke steht. Als Thomas zur See fuhr, um genug Geld zu verdienen genug Geld zu verdienen, um seine Geliebte heiraten zu können, wollten sie sich ein letztes Mal treffen, aber der Fluss Esk war angeschwollen, so dass er nicht wie gewohnt hindurch waten konnte. Nach seiner Rückkehr von seinen Reisen als reicher Mann, baute er die Brücke, damit nie wieder Liebende durch den Fluss getrennt werden würden.

Eine Steinbogenbrücke über den Fluss Esk
Ob die Geschichte nun wahr ist oder nicht: das Resultat kann sich sehen lassen.
Manu & Markus küssen sich auf Beggar's Bridge
So romantisch...

Die ersten Kilometer des Tages verliefen entlang des Esk, mit nur leichten Steigungen und Gefällen (was uns nach den vorangegangenen Tagen sehr willkommen war). Ein sehr ruhiger Weg hauptsächlich durch den Wald. Keine weiten Ausblicke in die Landschaft, die die Tage zuvor geprägt hatten, sondern eher ruhige, abgelegene Pfade, manchmal Blicke auf den Fluss und das gelegentliche Rumpeln der Züge, die auf der Esk Valley Line fuhren.

Ein Schild mti der Aufschrift "Bremsen testen" mit Manu davor, die gehorsam testet, ob ihre Schuhe noch funktionieren.
Manu hörte auf das Schild und testete ihre Bremsen. Schien alles soweit zu funktionieren.

Als wir Egton Bridge erreichten, wurde es wieder etwas zivilisierter. Sogar ein paar Lamas waren zu sehen. Der Weg folgte nun der Barnard's Road, der alten Mautstraße von Egton Bridge nach Grosmont. Ein netter kleiner Sonntagnachmittagsspaziergang, ganz im Gegensatz zu vielen Wanderwegen, die wir bis dahin gesehen hatten.

Ein Schild "Bitte die Lamasnicht füttern"
Wer auch immer Egton Estate aktuell bewohnt hat eine interessante Auswahl an Haustieren

Wir erreichten Grosmont zur Mittagszeit. Da unsere Strecke an dem Tag nicht so lang war, konnten wir uns eine lange Pause und ein sehr leckeres Essen mit Blick auf die historischen Dampfzüge gönnen.

Ein Panorama der Werkstatt der North Yorkshire Moors Railway mit ein paar Dampfloks
Grosmont ist der zentrale Stützpunkt der North Yorkshire Moors Railway mit der dazugehörigen Eisenbahnwerkstatt. Dort gibt es immer ein paar Dampfloks zu beobachten.
Manu & Markus unter ein paar Bäumen in einem Café
Mittag mit Ausblick. Wie gönnten uns ein leckeres Mittag und beobachteten die vorbeifahrenden Dampfzüge.

Nach einer wohlverdienten Pause wurde die Wanderung deutlich steiler. Grosmont liegt im Esk Valley, von wo aus die Landschaft in etwa 3 Kilometern über 200 Meter zum Flat Howe ansteigt. Also kletterten wir fleißig hinauf, nur um dann wieder 150 Meter hinunter zur Intake Farm abzusteigen.

Die Regeln besagen, dass man den Coast to Coast Walk nicht wirklich gelaufen ist, wenn man nicht nass geworden ist. Das war ein kleines Problem: obwohl es in Bampton Grange ziemlich heftig geregnet hatte, hatten wir es ins Haus geschafft, bevor der Regen einsetzte. Wir waren also irgendwie schon erleichtert, dass wir die letzten Kilometer des Tages bei leichtem Nieselregen zurücklegen konnten. Wenigstens zählte die Wanderung jetzt...

Manu & Markus vor einer Scheune auf der Intake Farm
Leicht feucht, aber das ist nunmal so, wenn man den C2C wandert. Haben wir gehört...

Der Tag endete etwas düster und neblig. Wir aßen mit unseren Gastgebern und deren Freunden und verbrachten dann einen ruhigen Abend in unserem Zimmer. Wir ließen unsere Gedanken schweifen und dachten darüber nach, dass dies unsere letzte Nacht auf dem Weg war. Ein seltsames Gefühl, nachdem wir zwei Wochen jeden Tag von Unterkunft zu Unterkunft gelaufen waren. Mit diesen Gedanken gingen wir recht früh ins Bett, denn der letzte Tag war der erste seit langem, an dem wir einen Termin hatten: Wir mussten es rechtzeitig zum Zug in Whitby schaffen.

Tag 15: Auf zum Meer! - Intake Farm nach Robin Hood's Bay

Unnser letzter Tag ging recht früh los. Der Regen der letzten Nacht hatte sich verzogen und bedeckten Himmel bedeckt hinterlassen, bei Temperaturen, die so niedrig waren, dass wir Fleecejacken anziehen mussten. Die Intake Farm liegt etwas außerhalb Littlebeck, dem schon recht abgelegenen Dorf, zu dem sie gehört.

In Littlebeck taucht der C2C in den Little Beck Wood ab, entlang des kleinen Baches, der dem Dorf den Namen gibt. Der abgelegene Waldweg folgt dem Bach bis zum Falling Foss Waterfall und dann entlang eines anderen kleinen Baches, bis er wieder auf eine kleine Straße trifft. Von dort aus geht es aufwärts zur New May Beck Farm, wo der Weg nach rechts abbiegt und wieder quer über das Moor führt. Oben auf dem Moor konnten wir bereits Whitby Abbey am Horizont sehen. So verlockend es auch gewesen wäre, einfach direkt auf die Ruine zu zu laufen, wollten wir erst einmal zur Küste und uns sogar von Whitby abwenden. Der Punkt, an dem der C2C auf die Küste trifft, liegt südlich von Whitby, und das Ziel in Robin Hood's Bay ist noch ein paar Kilometer weiter südlich.

Ein keiner Wasserfall an einem mit Moos bedeckten Felsen im Wald
Nicht besonders groß, aber hübsch: Falling Foss im Little Beck Wood.
Die Ruinen von Whitby Abbey am Horizont
Verlockende Ausblicke auf Whitby Abbey, wo wir spätestens den letzten Zug des Tages kriegen mussten. Das Bild wurde etwa zwei Stunden nach Start an dem Tag aufgenommen. Da hatten wir noch 3 Stunden vor uns.
Die blaue Flagge von Yorkshire mit der weißen Rose des Hauses York
Die Flagge von Yorkshire mit der weißen Rose des Hauses York. Wir waren immerhin in den North Yorkshire Moors...
Manu & Markus auf einer Klippe mit der Nordsee im Hintergrund
Endlich, nach rund 300 km, hatten wir die Nordsee erreicht! Wir konnten allerdings noch nicht ans Wasser, da die gesamte Küste eine Steilküste ist (abgesehen von den Städten und Dörfern).

Um die Mittagszeit hatten wir nach zwei Wochen Wanderung endlich die Küste erreicht. Es war ein etwas seltsames Gefühl. Einerseits fühlte es sich so an, als ob es vorbei wäre, aber andererseits andererseits lagen noch ein paar Kilometer vor uns. Man möchte ja nicht einfach umkehren, ohne das eigentliche Ziel erreicht zu haben. Also bogen wir nach Süden ab und folgten zwei Stunden lang den Klippen in Richtung Robin Hood's Bay. Das Dorf war ein ziemlicher Kontrast: es waren sehr viele Leute unterwegs, viel mehr als wir in den vergangen zwei Wochen gewohnt waren. Hauptsächlich Leute, die für den Tag an die Küste wollten oder als Touristen dort wohnten. Wir fühlten uns etwas fehl am Platz, obwohl wir genau dort waren, wo wir hin wollten.

Manu & Markus vor der Plakette, die das Ende des  C2C in Robin Hood's Bay markiert
Zwei müde, aber sehr, sehr stolze Wanderer. Wo ich das Schild gerade sehe, während ich das schreibe: ich muss Manu einen Kuss geben, wenn sie heimkommt...

Und dann, nach 306 Kilometern, waren wir endlich da: The Bay Hotel, Robin Hood's Bay, mit einer Tafel, die das Ende des Ende des Coast to Coast Walk markiert. Um ganz ehrlich zu sein: ein bisschen enttäuschend. Nur um eine kleine Holztafel, die über den Tischen des Biergartens aufgehängt ist. Die Gäste versuchten, sich bestmöglich aus dem Weg zu lehnen, während wir unsere Selfies machten. Wir gingen ins Restaurant des Hotels und trugen unseren Besuch in das Logbuch ein. Zu unserer Freude fanden wir Alex' Eintrag von zwei Tagen zuvor. Sie hatte es also wie geplant geschafft. Danach warfen wir pflichtbewusst unsere beiden Steine in die Nordsee, um Großbritannien ein wenig näher an Skandinavien bringen (was der eigentliche Plan hinter dem C2C ist. Davon bin ich überzeugt.). Noch ein paar Bilder, dann ging es schon weiter: ein letztes Mal unser Gepäck von Sherpa Van abholen und den Bus nach Whitby nehmen.

Zwei Hände halten zwei kleine Kieselsteine
Nachdem wir sie zwei Wochen lang brav in unseren Taschen getragen hatten, konnten wir sie endlich in die Nordsee werfen.
Manu & Markus stehen an der Küste und heben ihre Arme zum Triumph
Wir haben es geschafft. Diese Füße stehen im Wasser der Nordsee.

Der Rest des Tages ist schnell zusammengefasst (auch wenn es in der Realität ziemlich viel Zeit in Anspruch genommen hat): Wir schafften es gerade noch rechtzeitig, unser Gepäck zu holen um den Bus nach Whitby zu erwischen, wiederum gerade noch rechtzeitig, um den letzten Zug nach Pickering zu bekommen. Am Ende gab es aber dan doch keine Eile: Der Zug hatte Verspätung und auf dem Rückweg noch weiter aufgehalten. Wir fuhren wieder durch Grosmont, wo wir erst am Vortag gewesen waren. Wir hatten etwas Zeit, um die Aussicht auf die Moore zu genießen, bis wir den Bahnhof von Pickering erreichten, wo Ian uns einsammelte und damit unseren persönlichen Schlusspunkt des Coast to Coast Walk markierte.

Manu & Markus in einem Zugabteil mit jeder Menge Gepäck
Wir schafften es rechtzeitig zum Zug (mit jeder Menge Puffer, da der Zug Verspätung hatte).
Ein Panorama mit der Kamera aus dem Zugfenster gehalten. Der Boden ist von der Geschwindigkeit verwischt.
Der Zug fühlte sich rasend schnell an, wenn er denn fuhr (kein Wunder nach zwei Wochen Gehen). Wir wurden trotzdem noch eine weitere Stunde aufgehalten aufgrund irgendwelcher Probleme mit zuviel Hitze/Dampf und konnten uns ansehen, wie die Lok Dampf abblasen musste (das war zumindest die Erklärung des Schaffners).
Manu, Ian & Markus im Bahnof in Pickering
Das war unsere persönliches Ende des C2C: Ian sammelte uns am Bahnhof ein uns brauchte uns zum Abendessen nach Hause. Die verrückten Deutschen waren zurück von ihrem noch verrückteren Abenteuer...

Nachtrag

Wir blieben noch ein paar Tage bei der Familie, bevor es wieder nach Hause ging. Ian nahm uns mit zu den besten Fish & Chips (seine Worte) in Filey und wir ließen uns von Käfern fressen, während wir in einem Naturschutzgebiet Papageientaucher beobachteten. In Pickering konnten wir uns etwas entspannen und uns langsam daran gewöhnen, nicht jeden Morgen zu einer langen Wanderung aufzubrechen. Und schließlich hieß es "Auf Wiedersehen" und auf nach Hull, um die Fähre nach Rotterdam zu nehmen, Max abzuholen und wieder nach Hause zu fahren.

Selfie von Markus, der mit lauter kleinen schwarzen Käfern bedeckt ist
Die kleinen Käferchen haben nicht wirklich was gemacht. Nervig waren sie trotzdem. Krabbelten überall auf einem rum und juckten wie bekloppt. Aber zumindest haben wir zum Ausgleich Papageientauchen gesehen
Ein riesiger Yorkshire Pudding mit einer Hand daneben
Das ist das gute, wenn man in eine Familie mit einem Teil in Yorkshire einheiratet: Helens Yorkshire Puddings sind fantastisch. Mal ehrlich, schaut euch doch mal die Größe an!
Blick von der Fähre, die sich vom Dock in Hull löst
Ablegen in Hull, auf zurück auf den Kontinent...

Würden wir es wieder tun? Auf jeden Fall, ja! Tatsächlich haben wir es wieder getan, mehrmals. Ich schreibe das ein paar Jahre später und wir haben seitdem jedes Jahr eine Wanderung von mehr als 100 km gemacht. Ich bin Josie sehr dankbar, dass sie Manu davon überzeugt hat, es tatsächlich zu versuchen. Manu brachte es am besten auf den Punkt, als sie auf die Hügel des Lake District zurückblickte: "Wir sind das alles gelaufen. Das fühlt sich an, als könnte man alles schaffen!"

Würden wir es empfehlen? Kommt drauf an... Wenn man sich vorstellen kann, mehrere Wochen lang Wanderungen von (durchschnittlich) 20 km zu unternehmen: ja. Die Landschaft ist abwechslungsreich, die Menschen sind nett, die Infrastruktur ist in Ordnung (der C2C wird von mehreren Unternehmen bedient, die einem das Gepäck transportieren und es gibt auch eine gute Auswahl an Unterkünften die Zimmer für eine Nacht bieten, was außerhalb der bekannten Strecken ein Problem sein kann). Man ist nie wirklich in der Wildnis, aber doch einsam genug um das Gefühl eines autarken Wandern zu vermitteln, das ich so schätzen gelernt habe. Es war unsere erste richtige Mehrtageswanderung und sie hat uns das Selbstvertrauen gegeben, weitere Touren auch ohne Gepäcktransport in Angriff zu nehmen.

Danke an Josie & Tobi, dass sie uns begleitet haben, danke an Helen & Ian, dass sie uns aufgenommen haben, danke an alle entlang des Weges, die die Wanderung zu einem unvergesslichen Erlebnis gemacht haben, sei es, indem sie uns eine schöne Unterkunft geboten haben, für ein paar Kilometer und ein nettes Gespräch mitgelaufen sind, leckeres Essen serviert haben oder einfach nur den Weg für uns in Schuss gehalten haben!