Geisterjagd - Felsenland-Sagen-Weg 2023

Nach der Hitzeschlacht 2022 waren wir diesmal deutlich außerhalb des Sommers unterwegs. Schon im April ging es an die französische Grenze in das Dahner Felsenland im Pfälzerwald. Um die An- und Abreise deutlich zu vereinfachen war wieder eine Rundwanderung geplant. Dafür hatten wir uns diesmal den Felsenland Sagenweg ausgesucht, der auf verschlungenen Pfaden von Dahn bis hinter die französische Grenze im Süden und wieder zurück verläuft. Der Weg ist sehr gut ausgeschildert: alle paar Meter zeigt einem der kleine Geist den Weg. So zuverlässig, dass wir einmal nach wenigen Metern ohne Schild misstrauisch geworden sind, nur um dann festzustellen, dass wir einen Abzweig verpasst hatten. Definitiv eine Empfehlung an die Betreiber anderer Wanderwege, sich da eine Scheibe abzuschneiden.

Ein kleines hellblaues Metallschild auf einem Holzpfosten mit unscharfer Landschaft im Hintergrund. Das Schild zeigt den stilisierten Geist, der den Felsenland Sagenweg markiert. Der Name des Weges steht unter dem Geist.
Diese kleinen blauen Schildchen muss es mit Mengenrabatt gegeben haben. Wir haben noch nie einen so gut ausgeschilderten Wanderweg gesehen. Auf der gesamten Wanderung haben wir das Handy mit der Karte kaum gebraucht.

Inhalt

Anreise

Angereist sind wir diesmal mit dem Auto. Mit 430 km zwar nicht gerade um die Ecke, aber deutlich schneller, als per Bahn (von den Kosten, dank des nicht mehr vorhandenen 9-Euro-Tickets, mal ganz abgesehen). Auch diesmal sollte es wieder mit Lütti und uns klappen, so dass wir sie auf dem Weg in Mannheim einsammeln konnten. Aus logistischen Gründen (irgendwo musste das Auto für ne Woche stehen können) startete unsere Wanderung nicht in Dahn, sondern in Ludwigswinkel. Dort wollten wir gemütlich die erste Nacht verbringenund uns am nächsten Morgen auf den Weg machen.

Auch wenn unsere Unterkunft, die Rösselquelle, ein Hotel und Restaurant ist, mussten wir uns an dem Abend woanders was zu Essen suchen. Außerhalb der Saison ist das Restaurant geschlossen, wurde uns gesagt. Egal, Ludwigswinkel bietet mit dem Gasthaus zum Landgrafen zum Glück noch eine andere Futterstelle. Dort konnten wir uns bis zum Platzen mit Käsespätzle vollschlagen. So gut, dass wir gleich an dem Abend noch für unseren letzten Abend nach der Wanderung einen Tisch vorbestellt haben.

Tag 1 - Auf nach Dahn!

Wenn wir schon im Dahner Felsenland unterwegs sind, dann sollten wir vielleicht auch in der namensgebenden Stadt vorbeischauen. Eigentlich startet und endet der Felsenland Sagenweg ja in Dahn (ich denke direkt am Haus der Gemeindeverwaltung des Dahner Felsenlandes, bin mir aber nicht mehr sicher.). Wir sind ja nur deswegen in Ludwigswinkel gestartet, weil es in Dahn deutlich schwieriger gewesen wäre, unser Auto loszuwerden. Unsere Wanderung war gegenüber der Standardversion also nur um eine Station verschoben.

Los ging der Tag mit einem leckeren Frühstück im Hotelrestaurant (für's Frühstück war das zum Glück geöffnet). Büfett zur Selbstbedienung, das Übliche. Was nicht ganz so üblich war, waren die Frühstückseier. Also, die Eier selbst waren handelsübliche Hühnereier. Allerdings roh. Das Hotel hatte nämlich eine durchaus kreative Lösung für das Problem, dass unterschiedliche Menschen ihre Frühstückseier unterschiedlich mögen. Ich gehöre bspw. der Eigelb-flüssig-Fraktion an, während Manu definitiv kein Fan davon ist. Die meisten Unterkünfte kochen daher die Eier quasi hart, weil das die Variante zu sein scheint, auf die sich die meisten Leute einigen können. Nicht so aber die Rösselquelle in Ludwigswinkel: die Eier liegen roh auf auf dem Büfett. Ein großer, beheizter Behälter voll Wasser und passende Eierhalter zum Einhängen komplettieren das Ensemble. Man legt ein Ei in den Halter, hängt es die gewünschte Zeit in das heiße Wasser und bekommt sein perfektes Frühstücksei (unter der Annahme, dass man die richtige Zeit erwischt hat, aber das funktionierte mit der vorhandenen Anleitung erstaunlich stabil). An sich eine perfekte Idee. Es wäre nur eine gute Idee, zusätzlich ein kleines Schild am Eierkorb anzubringen, was dich auf die rohen Eier hinweist. Es ist nicht schiefgegangen, aber einige Leuten konnten definitiv gerade noch so davon abgehalten zu werden, ein rohes Ei mit an den Tisch zu nehmen und aufzuschlagen.

Danach ging es erstmal auf einen gemütlichen Spaziergang durch den Ludwigswinkler Park und eine kleine Kult(o)ur durch den angrenzenden Wald. An dem Waldweg stehen eine ganze Menge Holzfiguren aus verschiedenen Sagen (Felsenland Sagenweg und so...). Vielleicht nicht unbedingt die Sehenswürdigkeit, für die mal kilometerweit in den Pfälzerwald fährt, aber durchaus eine nette Abwechslung auf der Wanderung.

Ein 360° Foto von schräg oben mit einem Greifvogel aus Holz im Vordergrund. Die Perspektive is so verzerrt, dass der Boden wie ein kleiner Planet aussieht, mit Bäumen, die in alle Richtungen davonstehen.
Durchaus eine nette kleine Abwechslung: Holzskulpturen im Wald
Eine Skulpturengruppe mit Hänsel und Gretel vor dem Hexenhaus. Die Hexe schaut aus dem Hintergrund.
Auf einem Sagenweg dürfen natürlich auch ein paar Märchenfiguren nicht fehlen

Nach dieser kurzen Abwechslung ging es auf kleinen Wanderwegen durch Wiesen und Wälder immer mal wieder vorbei an den beeindruckenden Sandsteinfelsen. Das Dahner Felsenland hat seinen Namen durchaus zurecht. Das Hauptthema des Tages war übrigens "nass". Nicht so sehr von oben (da hatten wir großes Glück), sondern auf dem und im Boden. Wanderwege sind ja immer dann besonders schön, wenn es Trampelpfade querfeldein sind. In dem Bezug verwöhnt einen der Sagenweg durchaus. Wenn es allerdings vorher tagelang geregnet hat, dann werden kleine Trampelpfade eben auch schnell zum Schlammloch. Nichts, was nicht zu schaffen gewesen wäre, aber definitiv stellenweise eine schmutzige Angelegenheit. An den kritischsten Stellen (die vermutlich zeitweise auch überflutet sind), waren die Behörden dann auch so nett und haben einen Weg auf Stelzen über die Wiesen gebaut. Ansonsten heißt es halt: Augen auf (damit man sieht, wo man hintritt) und durch!

Einige Häuser eines Dorfes vor einer imposanten Felskulisse aus rotem Sandstein
Die Landschaft wird immer wieder dominiert von roten Sandsteinfelsen, an die hier beispielsweise einzelne Häuser teilweise fast nahtlos anschließen.
Manu von hinten auf einem schmalen Pfad durch eine Wiese. Links von ihr fließt ein kleiner Fluss mit sehr klarem Wasser.
Die viele Feuchtigkeit im Boden macht natürlich die Landschaft grün und sorgt für idyllische Bäche in den Tälern.
Eine große Felsplatte am Hang neben einem schmalen Waldweg, die komplett mit Moos überzogen ist
Sowas nenne (nicht nur) ich Qualitätswanderweg: Abgeschiedene Trampelpfade mit interessanten An- und Ausblicken. Auch das ist natürlich ein Vorteil der vielen Feuchtigkeit: das Moos überzieht die massive Felsplatte und ist so satt grün, dass es fast schon gefälscht aussieht.
Manu und Lütti von hinten auf einem Holzpfad auf Stelzen. Der Pfad ist etwa einen Meter über einer Wiese angebracht, offenbar als Schutz gegen Überflutungen.
Wenn das Wasser dann doch mal zuviel wird, dann braucht es eben Technik dagegen. Der Weg dürfte hier über die Brücke laufen, weil die Wiese öfters überflutet ist und weil man so die Pflanzen und den Boden vor Schäden schützt.
Mein Rucksack an meinem Wanderstock hängend, an einen Baum gelehnt
Immer wieder praktisch. Als ich den Wanderstock für den Coast to Coast Walk gebaut habe, habe ich einfach eine kleine Kerbe ins obere Ende geschnitten, so dass man einen Rucksack daran aufhängen kann. So kann man den an einen Baum lehnen und muss sich keine Gedanken über den nassen Boden machen (vom eigenen Hintern mal abgesehen, wenn man sich setzen will).

Von Ludwigswinkel ging es über Fischbach bei Dahn und Rumbach nach Bruchweiler-Bärenbach (jede Menge Bäche...). Unterwegs haben wir dann (vermutlich) noch die Werkstatt des Künstlers gefunden, der die Skulpturen für den Skulpturenweg vom Anfang des Tages fertigt. Mitten im Wald nördlich von Rumbach kamen wir an einer... nennen wir es "Außenwerkstatt" (geschützte Stelle im Wald mit einem heillosen Durcheinander and unfertigen Skulpturen, Werkzeugen und allerlei Krimskrams) vorbei, in der offenbar gerade eine Eulenskulptur im Entstehen war. Zwar wurde an dem Tag nicht gearbeitet, aber zumindest war die halbfertige Skulptur ein deutlicher Hinweis.

Eine halbfertige Holzskulptur eine Eule auf einem Baumstamm irgendwo in der Natur
Der Stil ähnelte den Skulpturen aus Ludwigswinkel schon deutlich. Vielleicht bekam der Skulpturenweg ja Zuwachs.

Von Bruchweiler-Bärenbach bis nach Dahn hatten wir von Anfang an geplant, mit dem Zug zu fahren. Die Gesamtstrecke des Tages wäre sonst unter Umständen etwas lang geworden und wir wollten ja schließlich unser gesamtes Pulver nicht gleich am ersten Tag verschießen. Die zwei Stationen hat uns dann die Deutsche Bahn noch gezwungen schwarzzufahren (ob das wohl mittlerweile verjährt ist? 🤔). Tickets kaufen war schlicht weder am Bahnhof noch im Zug möglich. Bevor jetzt jemand ruft "DB Navigator!": dank glorreicher Abdeckung durch o2 (das sollte in den kommenden Tagen noch öfter relevant werden) war auch da nichts möglich. Wir haben am Ende dann einfach drauf spekuliert, dass wie entweder nicht kontrolliert werden (so kam es dann auch), oder wir im Zug erklären können, was das Problem ist. Zwei Stationen bis nach Dahn Süd und wir konnten den letzten kleinen Anstieg des Tages in Angriff nehmen. Wir hatten uns für unsere Harz-Tour 2020 ja eine Mitgliedschaft im Deutschen Jugendherbergswerk gegönnt, um in Torfhaus übernachten zu können. Wie das immer so ist: man vergisst natürlich, die Mitgliedschaft zu kündigen. 2021 und 2022 hatten wir nicht die Möglichkeit, diese zu nutzen, aber in diesem Jahr sollte es endlich wieder klappen: die Felsenland-Jugendherberge etwas oberhalb der Stadt ist ein eher älteres Gebäude (wie alt genau konnte ich bisher nicht rausfinden. Ich habe aber mindestens Postkarten von 1935 gefunden), das durchaus noch den typischen Charme einer Jugendherberge verströmt. Wer modernste Ausstattung erwartet, der sollte vielleicht woanders suchen. Wer einfach nur gemütlich übernachten will, ist allerdings genau richtig. Uns wurde damals gesagt, dass in "nächster Zeit" eine Modernisierung ansteht. Ob und wieweit die stattgefunden hat, weiß ich natürlich nicht. Uns hat's jedenfalls mehr als genügt. Das Abendessen war lecker und die für den ersten Tag typischen müden Knochen konnten sich in bequeme Doppelstockbetten packen und ausruhen.

Ein Schild auf einem Tisch mit der Aufschrift "Wandergruppe Brückner" und einigen weiteren Daten
Manu organisiert die Wanderungen ja dankenswerterweise immer. Nachdem wir sie schon des öfteren scherzhaft 'Reisebüro Brückner' genannt hatten, hat uns dieses Tischschild natürlich köstlich amüsiert.

Tag 2 - Felsen und Burgen

Der zweite Tag war dann einmal die volle Dosis Felsen und Burgen. Das Dahner Felsenland liegt schon Jahrhunderte im Grenzgebiet verschiedener Reiche und hat daher (und aufgrund seiner zerklüfteten Struktur) eine Unmenge an Burgruinen. Manche nur noch als Überbleibsel und Löcher im Felsen, andere noch mit durchaus beeindruckenden Mauern und Gebäuden. Heute standen zwei (eigentlich vier) davon auf dem Plan: Burg Neudahn und die Dahner Burgengruppe (Tanstein, Grafendahn und Altdahn, aber dazu später mehr), beide durchaus beeindruckende Ruinen im Umland von Dahn. Der Weg führt dort in einer großen Schleife von Dahn nach Nordwesten, kehrt an der Burg Neudahn um, zurück durch Dahn in Richtung Erfweiler.

Die ersten Felsen des Tages gab es direkt hinter der Jugendherberge. Zwei Felsnadeln namens "Braut und Bräutigam" stehen direkt hinter der Herberge und etwas weiter weg findet man den Wachtfelsen . Letzterer gibt der Jugendherberge ihre Adresse und hat seinen Namen laut der Legende aus dem 30-jährigen Krieg. Angeblich mussten sich die kaiserlichen Truppen fluchtartig die Gegend verlassen, als die Schweden plötzlich anrückten. Ein Soldat, der auf dem Felsen Wache stand, wurde dabei wohl vergessen. Nachdem ewig keine Ablösung kam, stieg er der Geschichte nach ins Dorf hinab, stellte fest, was passiert war und wollte kein Soldat mehr sein (nachvollziehbar. Als Soldat hinter feindlichen Linien im 30-jährigen Krieg hätte ihm vermutlich die Hinrichtung gedroht. Die Haager Landkriegsordnung und Genfer Konvention, die ihm Schutz garantiert hätten, lagen noch einige Jahrhunderte in der Zukunft.) Der lokale Bürgermeister (in den Geschichten immer typisch für die Periode als "Schultheiß" bezeichnet) stellte ihn als Arbeiter ein, er verliebte sich in (und heiratete) dessen Tochter und lebte insgesamt ein entspanntes Leben ohne ständig Stress im Krieg zu haben. Viele Jahre später, es war schon lang Frieden geschlossen worden, kehrte seine alte Einheit in die Gegend zurück. Da er nun (ebenso wieder nachvollziehbar) nur sehr begrenztes Interesse hatte, als Fahnenflüchtiger hingerichtet zu werden, zog er seine alte Uniform wieder an, bezog den Posten auf dem Felsen und beschwerte sich vermutlich kräftig darüber, dass die Ablösung so lang gedauert hatte. Er wurde belobigt, ehrenvoll aus der Armee entlassen und konnte in sein friedliches Leben zurückkehren. Wie er die Jahre der Isolation auf dem Fels überlebt haben sollte und wo plötzlich eine Familie und ein Job herkamen, die Fragen hatte wohl vorsichtshalber keiner gestellt. Die Kommandeure seiner Einheit dürften alle Augen, inklusive sämtlicher verfügbarer Hühneraugen, zugedrückt haben. Seit dieser Zeit heißt der betreffende Felsen jedenfalls Wachtfelsen. Er kann von der Jugendherberge aus bequem in wenigen Minuten bestiegen werden (worauf wir allerdings verzichtet haben. Wir hatten schließlich noch einiges vor uns).

Lütti auf einem schmalen Pfad durch einen Felsen.
Das Dahner Felsentor bot uns eine spektakuläre Kulisse für's Mittagessen

Der Tag startete weg von der Jugendherberge in Richtung Dahner Hütte, einer Hütte des Pfälzerwald-Vereins. Für uns war das nur ein Wegpunkt, aber offenbar kann man dort was essen, es gibt einen Kinderspielplatz und einige Erklärungen zu Wölfen und Luchsen, die es im Wald wieder gibt. Von dort aus ging es weiter durch das idyllische Moosbachtal zum Dahner Felsentor zum Mittagessen. Wohlgemerkt: mitgebrachtes Essen. Infrastruktur gibt es dort nicht. Das Felsentor ist ein großer Felsen am Hang unterhalb der Burgruine Neudahn. Über die Jahrtausende haben die Elemente dort Löcher in den Fels geschliffen. Durch eins davon führt der Pfad, auf dem man zur Ruine Neudahn kommt.

Die Ruine thront hoch über dem Zusammenfluss von Moosbach und Wieslauter. In der aktuellen Form stammt sie aus dem 16. Jahrhundert, geht aber wesentlich weiter bis ins 13. Jahrhundert zurück. Laut Wikipedia zählt sie zu den besterhaltendsten Ruinen im südlichen Pfälzerwald (eine sehr spezifische Gruppe von Ruinen, wie ich finde). Ich würde jetzt nicht behaupten, dass nur etwas Farbe fehlt und man könnte einziehen, aber zumindest hat die Ruine noch erkennbare Türme, auf die man steigen kann, dunkle Keller zum Erkunden und den ein oder anderen verbliebenen Tor- und Fensterbogen. Das ist mehr, als andere Burgruinen noch vorweisen können.

Eine Burgruine mit drei eng beeinander stehenden Türmen erhebt sich hinter den kahlen Bäumen
Im Sommer sicherlich besser versteckt erhebt sich die Ruine auf dem Felsen.
Ein mit Efeu überwachsener Torbogen mit Wald im Hintergrund
Die Ruine geht an einigen Stellen langsam in die Natur über und bietet so idyllische Anblicke
Blick über die Hügel des Pfälzerwaldes von einem Turm der Ruine aus
Die Erbauer hatten schon einen Blick für's Schöne (und vermutlich praktische. Schließlich will man von einer Burg weit ins Land blicken können...)
Blick aus einem Fenster der Burg auf einen Farn an einer Naturfelswand, in die eine Seite des Fensters gehauen ist
Das Felsenland mit seinen Sandsteinfelsnadeln ist praktisch für den Burgenbau. Nicht nur als festes Fundament, nein, man kann auch gleich ganze Räume daran anlehnen oder reinschlagen. Vom reichlich vorhandenen Baumaterial mal ganz abgesehen.

Von der Ruine ging es über den Höhenzug zurück in Richtung Dahn zum Sängerfelsen. Dieser Felsvorsprung liegt auf der Dahner Seite des gleichen Bergrückens und blickt über die gesamte Stadt (OK, zumindest die Teile, die sich nicht hinter dem nächsten Höhenzug verstecken. Die Gegend ist relativ wellig...). Unterwegs im Wald sieht man immer mal wieder die Feldformationen, für die das Dahner Felsenland so berühmt ist: der Sandstein im Boden ist sehr unterschiedlich hart, so dass sich durch Erosion alle möglichen abgefahrenen Formen bilden. Felsnadeln, Tische/Pilze, Säulen, steile Wände, Bögen, für jeden was dabei.

Blick vom Sängerfelsen über Dahn. Manu, Lütti und Markus im Vordergrund für ein Selfie
Der Sängerfelsen bietet einen guten Überblick über Dahn. Im Hintergrund zu sehen: die Stadt ist quasi zweigeteilt durch einen großen Höhenzug (der unser nächstes Ziel sein sollte). Ein Teil liegt langgezogen im Tal nördlich des Berges (im Bild links), das Stadtzentrum liegt südlich. Aus der Luft sieht's aus, als hätte jemand die Stadt im Tal der Wieslauter ausgekippt und die wäre dann in die beiden Täler gelaufen.
Ein riesiger Pilz aus Stein: eine Säule mit Platte obendrauf.
Nicht ganz so groß und beeindruckend, wie sein Cousin ein paar Kilometer weiter, aber trotzdem schick. Wind und Wetter haben über die Jahrtausende den weicheren Stein abgetragen und einen Pilz aus Stein (wichtig: kein Steinpilz!) übriggelassen.

Als nächstes hieß es wie so oft: runter und wieder rauf. Wir wollten auf den Jungfernsprung, um dass Tal von der anderen Seite in Beschau zu nehmen, bevor wir dann Richtung Norden weiterziehen würden. Eine kleine Zwischenstärkung in einem Café, etwas Vorräte im Supermarkt auffüllen und auf zum Vogelsberg und Jungfernsprung.

Ein Wegweiser mit "Jungfernsprung" nach links und "Rentnerpfad" nach rechts
Entscheidungen, Entscheidungen... Speziell am zweiten Tag fühlt man sich ja eigentlich mehr nach Rentnerpfad, aber der hat a) nicht wirklich ne gute Aussicht und führt b) direkt zum Friedhof.
180°-Panorama des Wieslautertals von oben. Im Tal sieht man Teile der Stadt Dahn liegen.
Der Jungfernsprung erhebt sich als Felsvorsprung über Dahn, an der Westspitze des Höhenzuges, der die Stadt zweiteilt.

Der Jungfernsprung erhält seinen Namen der Sage nach (wie so oft in solchen Fällen) von einer in Not geratenen Jungfrau. Warum die Leute früher (oder auch heute noch teilweise) so interessiert am Sexleben junger Frauen waren, wird mir ewig ein Rätsel bleiben. In diesem Fall war eben jene Jungfrau (ganz wichtig! Ihr Name ist übrigens nicht überliefert...) im Wald unterwegs, als sie (je nach Fassung unterschiedlich) auf einen lüsternen Unhold (mal unbenannt, mal Hans Trapp) traf, der ihr "die Unschuld rauben" wollte. In ihrer Verzweiflung stürzte sie sich schließlich von dem Felsen (nachdem sie kopflos in die falsche Richtung geflohen war) und wurde (wieder je nach Fassung unterschiedlich) von ihren aufplusternden Kleidern oder Engeln sanft nach unten getragen. Jungfräulichkeit gerettet, Felsen hat seinen Namen, alles gut.

Eine massive Felsnadel erstreckt sich in den Himmel
Dafür kommt man ins Dahner Felsenland. Der Sandstein bietet genügend Material für beeindruckende Felsformationen.

Wieder vom Berg runter in Richtung Innenstadt (am Friedhof vorbei, an dem, wirklich kein Scherz, der Renterpfad endet), ging es weiter in Richtung Nordosten. Unser Ziel für den Tag war Erfweiler, aber vorher stand noch eine der größten Burgen des Felsenlandes auf dem Programm: die Ruinen der Dahner Burgengruppe: Tanstein, Grafendahn und Altdahn. Diese drei liegen auf einem Höhenzug zwischen Dahn und Erfweiler und repräsentieren unterschiedliche Zeiträume der Besiedlung. Klassischer Fall von "Die Alten haben Mist gebaut, ich mach mein eigenes Ding!". Tanstein ist die älteste der Burgen und stammt aus dem 12. Jahrhundert. Die nächste (oder vermutlich über-übernächste) Generation beschloss dann den Bau am Nordost-Ende des Berges in Form der Burg Altdahn 100 Jahre später am Anfang des 13. Jahrhunderts. Deren Nachfahren wiederum hatten schon am Ende des 13. Jahrhunderts die Nase voll und verbanden die beiden bestehenden Burgen durch den Neubau der Burg Grafendahn. Zusätzlich zu dieser Ansammlung von Burgen wurde ja schließlich auch im 13. Jahrhundert ein paar Kilometer weiter die Burg Neudahn gebaut (die vermutlich neuer als Altdahn, aber älter als Grafendahn ist). Fleißiges Völkchen... Warum die in so kurzer Zeit so viele Burgen in derselben Gegend gebaut haben ist übrigens nicht überliefert (zumindest nicht in den Informationen, die man vor Ort so findet). Heute sind alle drei Burgen als Museum zugänglich und können in Eigenregie erkundet werden. Man sollte allerdings (anders, als wir) etwas Zeit mitbringen. Die Anlage ist riesig und bietet jede Menge Räume und Nischen zum Erkunden.

Selfie von Lütti, Manu und Markus auf der Burg Altdahn. Der Horizont ist durch den Fischaugeneffekt so verzerrt, dass die gesamte Umgebung zu sehen ist
Die Burgenanlage ist riesig und bietet einen weiten Blick in die Landschaft. Hier bspw. von der Burg Altdahn in alle Richtungen.
Selfie zu dritt von hinten an der Wehranlage der Burg. Der Blick geht über die Berge des Pfälzerwaldes.
Die Landschaft bietet schon nette Blicke. Außerdem eine Vorschau auf den kommenden Tag, der uns über die Berge im Hintergrund führen sollte.
Blick entlang der drei Burgen der Dahner Burgengruppe von Altdahn in Richtung Tanstein
Wie an einer Perlenschnur aufgereiht liegen die drei Burgen auf dem Felsen.
Panorama-Selfie von Markus auf den Turm der Burg Altdahn mit Grafendahn (und kaum erkennbar Tanstein) im Hintergrund
Der Grund für die wunderbare Aussicht: wie ein Schiff pflügen die drei Burgen auf ihrem Felsen durch die rollenden Hügel des Pfälzerwaldes.

Wir waren leider recht kurz vor Toresschluss auf den drei Burgen, so dass uns nur eine knappe Stunde blieb, die Anlage zu erkunden. Danach ging es dann relativ zügig bergab nach Erfweiler zur Hahnfels Pension, unserer Unterkunft für die Nacht. Die Pension war gerade frisch eröffnet worden und hatte demzufolge modernste Ausstattung. Wir haben jedenfalls sehr gut geschlafen (obwohl man fairerweise sagen muss: wir würden nach solchen Wandertagen wahrscheinlich auch unter eine Brücke sehr gut schlafen).

Tag 3 - Hat hier jemand gekichert?

Jaja, schaffen wir die Sachen für den inneren Zwölfjährigen gleich beiseite:

Wanderwegweise, unter anderem, nach Busenberg und Eichelberg
Jaja, werd erwachsen! Nö, kommt gar nicht in Frage. (Ein "Eilöchl" gibt's nebenan übrigens auch noch, was die Sache nicht besser macht...)

So, nachdem wir damit durch sind: außerhalb des Einflussbereichs von Dahn war Tag 3 wieder deutlich weniger städtisch (obwohl auch am Vortag nur der kleiner Teil des Weges durch die Stadt führte). Der erste Teil unserer Wanderung ging gemütlich bergauf zum Wasgaublick. Wieder so ein kleiner Felsen im Wald von dem aus man einen schönen Blick über die Landschaft hat. Auf dem Weg durch den Wald hatten wir noch einmal ein paar schöne Ausblicke auf die drei Burgen vom Vortag, diesmal von der Seite. In einem gewissen Sinne genau das Gegenstück zum Selfie mit Ausblick über die Berge von der Wehranlage aus.

Eine weitere interessante Beobachtung, die wir an dem (sehr kalten) Morgen machen konnten: der Pfälzerwald ist offenbar das Gebiet, über dem Warteschleifen für irgendeinen Flughafen geflogen werden (keine Ahnung, welcher genau. Frankfurt erscheint mir etwas weit weg. Mannheim vielleicht?). Das konnten wir an dem Morgen in Form von Mustern am frostigen Himmel bewundern.

Einige schleifenförmige Kondensstreifen am blauen Himmel
Sieht man so auch nicht alle Tage: Warteschleifen am morgendlichen Himmel. Ach ja: und uns drei gut eingepackt, weil es trotz Sonne ziemlich kalt war.

Unser erstes Zwischenziel für den Tag war die Burg Drachenfels. Das ist eine Felsenburg und der Name ist Programm: die Anlage ist eine interessante Kombination aus Felsnadel mit eingeschnittenen Gängen und Räumen und gemauerter Außenanlagen, um mehr Platz zu schaffen. Zu früheren Zeiten muss die Burg noch deutlich beeindruckender gewesen sein, da sie wohl schon im 16. Jahrhundert endgültig zerstört und in der Folge als Steinbruch für einige durchaus größere Projekte verwendet wurde. Was heute noch übrig ist, ist noch beeindruckend genug und bietet einen spektakulären Ausblick in die umgebende Landschaft (unter anderen auf das für meinen inneren Zwölfjährigen so endlos lustige Busenberg, ein eigentlich ganz schickes Dorf mit gut 1.000 Einwohnern, durch das wir kurz vorher gewandert waren. Dort wurden bspw. ein Herrschaftshaus und eine Kirche aus dem Stein der Burg gebaut).

Eine schmale Felsnadel mit einigen Fenstern und Gängen
Schon beeindruckend, so eine Burg, die sich quasi an und in den Fels klammert. Man sieht schön den größeren Raum, der unten in den Fels geschnitten wurde. Durch die Nadel führen dann Treppen nach oben bis auf die Spitze, die wohl früher noch eine Holzkonstruktion getragen hat.
Selfie von Manu und Markus an der Felsnadel hoch über dem Tal. Hinter uns geht eine Treppe in den Fels.
Etwas schwindelfrei sollte man schon sein. Die Anlage ist heute wunderbar erschlossen, aber trotzdem natürlich beeindruckend hoch. Als die Burg noch genutzt wurde, waren diese Treppen wahrscheinlich alle aus Holz. Man sieht im Fels teilweise noch die Löcher, in denen Pfosten für verschiedene Anbauten verankert waren.
360° Kugelpanorama von der Spitze der Felsnadel als Tiny Planet. Rundherum reicht der Blick weit ins Land über Busenberg und die Hügel des Pfälzerwaldes
Fast schon zwangsläufig sind die Blicke in die Landschaft spektakulär. Die Burg steht höher als die gesamte Umgebung und bietet so natürlich Ausblicke bis zum Horizont. Wir hatten allerdings auch Glück mit dem Wetter. An einem windigen, regnerischen Tag mag ich mir das nicht so recht vorstellen.
Panorama des gemauerten Burgeingangs mit Übergang in den natürlichen Felsen. Der Fels ist größtenteils mit Efeu und anderen Sträuchern bewachsen
Die Burg hatte auch gemauerte Teile. Hier der alte Eingang, zu dem die (ziemlich steile) Straße führte. Schön finde ich hier den nahtlosen Übergang von natürlichem Fels in gemauerte Wand. Alles um den Aufwand zu minimieren und die vorhandenen natürlichen Ressourcen bestmöglich auszunutzen.

Nach dem Abstieg vom Drachenfels ging es weiter über schmale Pfade, vorbei an Wasserbüffeln (was man halt so findet im Pfälzerwald) zur nächsten Burg: Burg Berwartstein. Die ist (als große Ausnahme) mal bewohnt, wenn auch bei weitem nicht mehr im Originalzustand. Ursprünglich eine Felsenburg, ähnlich wie die Nachbarn, wurde sie im 19. Jahrhundert von jemandem gekauft, der einfach eine Burg haben und bewohnen wollte. Der wollte aber nicht notwendigerweise eine originalgetreue Felsenburg aufbauen, sondern einfach seine Vorstellung einer Burg bewohnen. Ergo sieht die Burg heute deutlich anders aus, als sie zu ihren Zeiten als Verteidigungsanlage jemals ausgesehen hat. Heute ist die Burg einerseits Privatwohnung, andererseits Restaurant, eine Art Museum, Event-Location, Pension (zumindest haben sie ein paar Zimmer) alles in einem. Wir haben uns eine Pause mit Flammkuchen gegönnt, bevor wir dann weitergezogen sind.

Der Turm der Burg Berwartstein ragt aus dem Wald hinter den Bäumen
Die Burg versteckt sich recht idyllisch im Wald. Ich kann mir schon vorstellen, dass es sich dort idyllisch wohnt. Ich möchte nur die Erhaltung der Burg nicht bezahlen müssen...

Nach einigen weiteren Kilometern über die Berge endete unser Tag dann in Bundenthal in einer Ferienwohnung. Ein ziemlicher Unterschied zur sehr modernen Pension am Tag zuvor: das Obergeschoss des Einfamilienhauses aus (vermutlich) den 60ern am Rand des Ortes, offenkunding früher die Wohnung der Großeltern oder ähnlich. Wir wurden von einem eher schlecht gelaunten Hund begrüßt, der uns erst nicht zur Klingel lassen wollte. Yeah... Am Ende waren die Besitzer dann aber doch freundlich und konnten die Ferienwohnung in Besitz nehmen. Wir haben uns dann abends nochmal vom Berg runtergequält, um was essen zu gehen. Wir hatten im Gasthaus Krone zwar keine Zimmer für die Nacht mehr bekommen, aber leckeres Essen. Wie üblich nach einem eher anstrengenden Tag sind wir dann relativ früh im Bett verschwunden und haben gut geschlafen. 60er-Jahre Ambiente hin oder her.

Tag 4 - Kleiner Grenzverkehr und eine Unterkunftskatastrophe

Der nächste Tag ging wieder bei frostigen Temperaturen los. Ein paar Sachen vom lokalen Bäcker, ein gemütliches Frühstück in der Sonne an der Bushaltestelle (der Sitzplätze wegen. Wir wollten nicht Bus fahren) und auf in Richtung Frankreich. Ja, Frankreich. Der Pfälzerwald liegt ja direkt an der französischen Grenze und geht nahtlos in die Vogesen über. Über die Jahrhunderte hat die Gegend immer mal wieder die Seiten der Grenze gewechselt (bzw. in früheren Zeiten einfach nur das Fürstentum, zu dem man gerade gehört hat). Das sieht man deutlich an den Ortsnamen, aber dazu später mehr. Dank europäischer Einigung interessiert die Grenze heute niemanden mehr und der Felsenland Sagenweg führt offiziell über französisches Gebiet. Man kann auch im Wald eigentlich nicht feststellen, in welchem Land man gerade ist, bis man mal ein Hinweisschild sieht, das dann eben eine andere Sprache hat.

Nahaufnahme einiger Pflanzen im Gras. Alles ist mit einer dicken Schicht Reif überzogen
Frost...

Los ging es erstmal bergauf zum Flugplatz Bundenthal Rumbach (in Erinnerung an das Jahr zuvor, auch wenn wir diesmal die Startbahn nicht kreuzen mussten, sondern nur daran entlanggelaufen sind). Der Weg führt (wie so oft) über schöne Trampelpfade abseits der Zivilisation (auch wenn man die natürlich oft in den Tälern sieht). Unser erster Zwischenstop für den Tag war die Wegelnburg (Überraschung, eine weitere Burg), von der allerding nur noch Ruinenreste übrig sind. Bei einer kurzen Rast unterwegs sind wir einem Päärchen wieder begegnet, die den Felsenlad Sagenweg zeitgleich mit uns gelaufen sind. Die hatten wir an den Vortagen schon hin und wieder getroffen. Wie das so ist, haben wir uns kurz über unsere Pläne unterhalten, was wir schon so erlebt haben und wo wir untergekommen sind. Letzteres sollte später noch extrem wichtig für uns werden...

Die Wegelnburg steht damals, wie heute an einer Grenze und hat auf der anderen Seite ein Gegenstück in Form des Château du Hohenbourg. Es war also Zeit, die französische Grenze zu überqueren. Der Übergang ist ein Sattel zwischen zwei Bergen im Wald und überhaupt nicht als solcher erkennbar. Keine Grenzsteine, keine Schilder, gar nichts. Plötzlich ist man in Frankreich. Ich mag das. Die Hohenburg und ihre direkte Nachbarin, die [Burg Löwenstein](https://de.wikipedia.org/wiki/ Burgruine_L%C3%B6wenstein) sind nur noch in Resten erhalten, bieten aber, wie immer, einen schönen Fernblick über die Hügel (der Vogesen, statt des Pfälzerwaldes, aber das ist auch nur eine Benennungssache. Aussehen tun die gleich).

Ein waagerechter Balken auf zwei Pfosten zum Anbinden von Pferden
Wer noch ganz stilecht anreisen möchte findet zwischen Hohenburg und Löwenstein einen Pferdeparkplatz. Den Vorschlag, die Damen anzubinden, habe ich mir mit Rücksicht auf meine Gesundheit gespart.

Man merkt es schon an den Namen: hier war früher alles eins. Ja, heute steht da "Château du...", aber die Namen sind noch deutsch. Das Elsass hat eben öfter die Hand gewechselt und die scharfe Sprachgrenze kommt auch erst mit den modernen Nationalstaaten auf. Auf der französischen Seite geht der Weg genauso idyllisch weiter, wie er auf der deutschen angefangen hat. Schmale Pfade durch den Wald, Blicke in die Ferne, Felswände, hin und wieder (OK, einmal) ein Kletterer...

Manu und Lütti auf einem schmalen Pfad im Wald
So sieht der typische Pfad durch die Wälder des Felsenland Sagenwegs aus: einspurig, abseits der Zivilisation
Manu vor einer Felswand im Wald
Im Wald läuft man dann auch immer mal wieder an Felswänden entlang

Unser Weg führte uns beständig bergab hinunter zum nächsten Zwischenstop mit dem glorreichen Namen Châtau Fort de Fleckstein (oder Château de Fleckestein). Wieder eine alte Burg, die damals eines der vielen kleinen Fürstentümer gesichert hat. Auch wenn von der Burg heute durchaus noch beeindruckende Rest übrig sind, war unser Bedarf an Ruinen erstmal gestillt und wir haben uns lieber auf das dort gelegene Café konzentriert. Dankenswerterweise sprach die Dame hinterm Tresen perfektes Deutsch. Wie wir nämlich bei einer kurzer Unterhaltung (oder dem Versuch einer Unterhaltung) im Wald vorher schon festgestellt hatten: setzt uns in Frankreich aus und wir finden nichtmal den Weg zum Bahnhof 😅. So konnten wir uns allerdings problemlos heiße Schokolade, Kaffee und eine göttliche Schokoladentarte bestellen (und bekamen sogar meinen Wanderstock hinterhergetragen, den ich zum bisher ersten und einzigen Mal stehengelassen hatte). Ein ruhiger Nachmittag in der Sonne in einem Café in den französischen Vogesen, das man zu Fuß durch den Wald aus Deutschland erwandert hat... Ich kann mir kaum was schöneres vorstellen.

Eine Tasse heiße Schokolade und ein halb gegessenes Stück Schokotarte auf einem Holztisch
Die volle Schokodröhnung: heiße Schokolade und Schokotarte. Ich hab gerade noch ans Foto gedacht, bevor ich sie ganz verschlungen hatte.

Der Tag sollte allerdings nicht in Frankreich enden, also mussten wir uns dann irgendwann losreisen und weiterwandern. Der Weg ging genauso idyllisch weiter, bis er dann kurz vor Hirschthal auf die Straße trifft. Dort sieht man dann auch deutlich, dass man wieder deutschen Boden betritt. Keine Einreise, keine Kontrollen, aber zumindest ein Schild.

Eine Straße mit einem Haus im Hintergrund. Im Vordergrund am rechten Bildrand ein blaues Schild mit den Sternen der Europaischen Union und der Aufschrift "Bundesrepublik Deutschland"
Mehr Grenze ist dank europäischer Einigung nicht mehr. Geradeso für ein Schild hat es noch gereicht. Schlagbäume sind etwas aus der Mode.

Der Rest des Weges mäanderte dann ganz entspannt entlang des Saarbachs von Hirschthal nach Schönau, wo wir eine Unterkunft für die Nacht gebucht hatten. An der Unterkunft (ich schweige aus gleich offensichtlichen Gründen darüber, welche genau das war.) angekommen hing dort ein Zettel mit dem Hinweis, dass man eine Telefonnummer anrufen möge. Soweit nicht ungewöhnlich. Außerhalb der Saison kann das schonmal sein, dass irgendwelche Unterkünfte nicht dauerhaft besetzt sind und Leute erst aufschließen müssen. Dummerweise gab es in ganz Schönau kein Netz von o2, aber das benachbarte Restaurant war nett genug, uns telefonieren zu lassen.

Das Gespräch dürfte allerdings wohl zu den denkwürdigsten gehören, die Manu (in kursiv) je geführt hat (ich kürze das Gespräch sinngemäß):

"Hallo! Wir haben bei Ihnen ein Zimmer gebucht und wären dann jetzt da."
"Guten Tag. Wir haben geschlossen."
"Ja, das haben wir an dem Zettel an der Tür gesehen. Deswegen ja der Anruf, wie es auf dem Zettel stand."
"Ähm... Nein, wir haben bis Anfang Mai geschlossen." (Wohlgemerkt: es war der 5. April)
"... Äh... Wie bitte? Wir haben eine Buchungsbestätigung und alles."
"Oh, da hat der Chef einen Fehler gemacht. Wir haben im Winter bis Anfang Mai komplett geschlossen."
"Äh... und wo genau sollen wir jetzt schlafen?"
"Hm, ärgerlich. Ich kann Ihnen aber gern ein paar Alternativen nennen..." (fängt an, Alternativen aufzuzählen, die allesamt um die 20 km weiter liegen)
"Wir sind zu Fuß..."
"..."

Uns tat die Angestellte ja tatsächlich leid, die ihren chaotischen (wie wir später erfahren sollten, war das nicht das erste Mal, dass sowas da passiert ist) Chef vertreten musste, der den Winter wohl immer irgendwo im Süden verbringt. Nur: für uns war natürlich bei 2° C in der Nacht eine Unterkunft zwingend notwendig und außerhalb der Saison ist das nunmal nicht so einfach mit quasi null Vorlauf. Dankenswerterweise hatten wir ja an dem Tag dieses andere Päärchen getroffen. Die hatten uns erzählt, dass sie in dem Hotel nichts mehr bekommen hatten (warum wohl...) und deswegen auf die etwas teurere Longhorn Ranch im Nachbarort ausgewichen waren. Wir konnten im Restaurant dann schnell deren Telefonnummer raussuchen. Die Dame des Hauses war dann auch so nett, uns ein Zimmer für nur eine Nacht bereitzustellen. Normalerweise machen die das wohl nicht unbedingt mit all ihren Zimmern (einfach des Aufwandes wegen), aber sie waren sehr verständnisvoll, nachdem sie unsere Geschichte gehört hatten.

Ein leckeres Essen im Restaurant später und wir konnten (dann schon fast im Dunkeln) den letzten (ungeplanten) Teil unserer Wanderung für den Tag antreten. Aufgrund der Geografie und der Verläufe der Waldwege waren wir dann mal die Deppen, die im Dunkeln quasi unbeleuchtet an der Straße entlanggestolpert sind, aber glücklicherweise ist diese sehr wenig befahren, so dass wir ohne Schäden in Gebüg ankamen. Unsere Gastgeberin begrüßte uns noch mit "Wir haben heute noch ein neues Kalb gekriegt, dass wir aufpäppeln müssen. Ich konnte euer Zimmer also nur so notdürftig herrichten." Wenn das "notdürftig" war, dann weiß ich nicht, was man noch hätte verbessern können. Wir waren jedenfalls mehr als glücklich und haben dann noch den ganzen Abend mit den Besitzern am Lagerfeuer draußen verbracht und bis spät in die Nacht gequatscht. So wurde zumindest aus der Katastrophe mit der eigentlichen Unterkunft noch ein schönes Erlebnis.

Die ganze Geschichte hatte dann übrigens noch ein Nachspiel: ich hab mich mal schlaugelesen, was eigentlich meine Rechte als Gast sind, wenn einem sowas pasiert. Kann ja nicht sein, dass einen ein Gastgeber einfach so stehenlässt. Stellt sich raus: kann es tatsächlich nicht. Man kann sich dann nämlich eine vergleichbare Ausweichunterkunft suchen und dem ursprünglichen Gastgeber die Differenz in Rechnung stellen. Da die Longhorn Ranch eben etwas teurer war, hab ich das dann auch gemacht. Seitens der Unterkunft kam nie eine Antwort, sondern nur ein paar Tage nach Wiedereröffnung im Mai kommentarlos der geforderte Betrag auf mein Konto. Da war sich wohl jemand bewusst, dass er Mist gebaut hatte. Ne kleine Entschuldigung vom Chef selbst wäre allerdings schon angemessen gewesen...

Blick in ein Zimmer der Longhorn Ranch. Ein großes Bett, die Wände und Gardinen mit typisch amerikanischen Symbolen, wie Flaggen, Tierschädeln etc.
Nicht unbedingt mein Stil, aber definitiv nicht nur "notdürftig" hergerichtet. Wir haben jedenfalls sehr gut geschlafen.

Tag 5 - Nochmal kurz nach Frankreich und dann zurück auf Los

Der nächste Tag war dann auch schon wieder unser letzter. Nach einem sehr leckeren Frühstück (bei dem wir unseren sehr überraschten Bekannten vom Vortag erstmal erklären mussten, wieso wir plötzlich in der gleichen Unterkunft aufwachen, wie sie), lies ich mir diesmal die Rechnung ausstellen (darauf verzichte ich sonst, aber ich hatte so eine Ahnung, dass die nützlich sein könnte. Die Gastgeberin der Ranch hatte auch vollstes Verständnis und hat fast schon darauf bestanden). Danach warfen wir noch einen kurzen Blick auf das neugeborene Kalb. Das hatte die erste Nacht gut überstanden (Kunststück, wurde ja auch alle zwei Stunden von Hand gefüttert, weil die Mutterkuh es nicht angenommen hat). Für uns hieß es dann "Auf nach Frankreich!" (schon wieder). Von Gebüg aus ging es auf den Maimont, eine Doppelspitze, die halb auf französischer, halb auf deutscher Seite der Grenze liegt. Der Berg war Schauplatz einer kleinen, aber verlustreichen Schlacht zu Beginn des Westfeldzuges im Zweiten Weltkrieg. Man hatte damals extra Soldaten aus Österreich herangeschafft, da man Angst hatte, dass die Einheimischen nicht auf ihre Nachbarn schießen wollen würden. Schon damals wusste man offenbar, wie behämmert diese willkürlich gezogenen Grenzen im Alltag der Menschen waren und hatte die Befürchtung, dass eine wie auch immer geartete "Loyalität" vielleicht "falsch" liegen würde. An diese Schlacht erinnert heute das Friedenskreuz, dass in den 50er Jahren als Andenken an die Gefallenen gesetzt wurde.

Ein rötbraunes Kalb in Nahaufnahme
Das Kalb hatte die Nacht gut überstanden und war dementsprechend neugierig.
Ein Schild im Wald mit der Aufschrift "Forêt Domaniale de Steinbach"
Woran erkennt man, dass man die Grenze überschritten hat? Die Schilder sehen anders aus.
Manu unscharf im Vordergrund blickt über die Hügel des Pfälzerwaldes im Hintergrund
Wie schon am Vortag: was hier Deutschland und was Frankreich ist, ist der Natur herzlich egal. Die Hügel sind auf deutscher und französischer Seite und ich sehe da zumindest keinen Übergang.
Markus von hinten auf dem Geländer der Kanzel am Friedenskreuz stehend. Im Hintergrund sind die Hügel des Pfälzerwaldes zu sehen.
"Bürger Roms... äh, des Pfälzerwaldes!" Die Kanzel am Friedenskreuz verleitet zu blöden Aktivitäten.

Vom Maimont ging es dann in steilen Serpentinen immer entlang der Grenze wieder hinab in Richtung Petersbächl, wo Manu das Café Schokolädl (ja, leider nur ne Facebook-Seite) ausgespäht hatte. Nach unserer Schokodröhnung am Vortag war uns noch nach etwas mehr. Dieses kleine Café liegt im Erdgeschoss eines (ehemaligen?) Wohnhauses und serviert alle möglichen selbstgemachten Spezialitäten. Dort wurden wir von einer Familie am Nachbartisch (OK, hauptsächlich von der Mutter) ausgefragt, was wir denn so hier machen würden (unsere Wanderausrüstung hatte offenbar ihre Neugier geweckt). Sie war total wild darauf, zu erfahren, wie das denn überhaupt so funktioniert und wollte am liebsten gleich selbst auf eine Mehrtageswanderung gehen (ihr Mann sah deutlich weniger begeistert von dieser Idee aus). Nachdem wir uns gestärkt und Wandern als Hobby erfolgreich verkauft hatten, konnten wir auf die letzte Etappe aufbrechen (eher ein letzter Spaziergang), zurück nach Ludwigswinkel zum Startpunkt unserer Wanderung. Noch eine kleine Tour über den Pfälzerwoog (ein Sumpfgebiet) und schon waren wir wieder im Hotel vom Anfang. Wir hatten ja am ersten Tag gleich noch einen Tisch für den letzten Abend reserviert und sind daher nochmal zum einzigen weiteren Restaurant im Ort spaziert, um den Abend bei Spätzle ausklingen zu lassen.

Ein halb im Boden verdecktes Schild mit einem zweisprachigen Text (Englisch und Deutsch), der auf ein militärisches Sperrgebiet hinweist
Irgendwer hat in der Nähe wohl mal so ein Schild... umfunktioniert und damit irgendwas hier am Hang abgedeckt. Militärisch war dieses Gebiet jedenfalls schon lang nicht mehr.
Ein abgestorbener Baum im spiegelglatten Wasser eines Waldsees
Frühjahrsstillleben im Wald. Der Pfälzerwoog ist ein schöner Sonntagsspaziergang, wenn man in Ludwigswinkel wohnt.
Markus auf dem abgestorbenen Baum über'm Wasser beim Fotografieren
Für das Stillleben muss man halt etwas klettern. Manu hat die Kamera nur scharf gehabt, falls ich ins Wasser falle...
Selfie von uns dreien an einem Restauranttisch
Zum Abschluss nochmal lecker Essen im Landgrafen. Drei zufriedene Wanderer nach 103 km durch den Pfälzerwald.

Abreise und Fazit

Wir hatten uns nochmal eine letzte Übernachtung eingeplant, weil nach einer Tageswanderung noch Autofahren einfach keinen Spaß macht. So konnten wir am nächsten Morgen ganz entspannt noch kurz die Sonne genießen, bevor es wieder in Richtung Heimat ging. Lütti wieder in Mannheim am Bahnhof absetzen und dann auf dem Rückweg das Kind einsammeln (der bei den Großeltern geblieben war).

Was bleibt vom Felsenland Sagenweg? Definitiv eine sehr empfehlenswerte Wanderung. Für uns war er bisher der schönste nach dem Coast to Coast (der aber sowieso schon aufgrund seiner Länge und dadurch Vielfalt in einer anderen Kategorie liegt). Das Prädikat "Qualitätswanderweg" gilt definitiv. Der absolut überwiegende Teil der Wege sind kleine, verschlungene Trampelpfade abseits der Zivilisation. Die Felsen bieten immer mal wieder interessante Abwechslung und schöne Ausblicke (wenn man auf die Spitze kommt). Wandern außerhalb der Saison hat Vor- und Nachteile: Unterkünfte sind tendenziell einfacher, weil nicht schon ausgebucht. Dafür können sie halt auch ganz geschlossen sein (OK, das sollte eigentlich trotzdem nicht vorkommen). Manche Sachen haben ggf. verkürzte oder gar keine Öffnungszeiten, was aber beim Wandern nicht so wahnsinnig relevant ist. Die Tatsache, dass man nahtlos zwischen Frankreich und Deutschland wechselt, ohne die Grenze überhaupt wahrzunehmen finde ich äußerst faszinierend. Und man kann auch echt zu viele Burgen bauen...