Die Hexe ruft! - Der Harzer Hexenstieg

Unsere zweite Langstreckenwanderung! Woohoo, der Coast to Coast Walk hatte Manu nicht abgeschreckt, ganz im Gegenteil. Sie hatte Blut geleckt und sich den Harzer Hexenstieg ausgeguckt. Und eigentlich wollten wir den auch zu dritt angehen, aber unsere liebe Lütti musste leider kurz vorher absagen. Also doch zu zweit...

Inhalt

Anreise - Erstmal hinkommen

Also standen wir an einem Oktobermorgen an unserem Bahnhof, um mit dem Zug nach Osterode zu fahren. In der Zwischenzeit hatte uns diese kleine hässliche Pandemie eingeholt, also über 4 Stunden mit Maske in Regionalbahnen rumgondeln.

Markus mit Maske im Regionalzug
Damals... Am Anfang der Pandemie waren noch die selbstgenähten Masken in Mode. Man beachte auch: ich habe den Wanderstock behalten und schleppe ihn seitdem auf jeder Wanderung mit.

Letztlich haben wir es dann geschafft und standen am Nachmittag am Bahnhof Osterode, wo sich die Deutsch Bahn darüber freute, dass wir ihr etwas Geld hinterlassen hatten, statt mit eigenem Gerät anzureißen.

Ein Plakat von der Deutschen Bahn mit der Aufschrift "Willkommen am Harzer Hexenstieg! Schön, dass Sie nicht auf einem Besen gekommen sind."
Manu wäre ja gern, aber dann hätte ich allein mit dem Zug fahren müssen.

Wir hatten uns für die Nacht in einem Hotel einquartiert. Sehr ruhig, so weit außerhalb der Saison. Einziges Problem: außerhalb der Saison gab es im Hotelrestaurant auch kein Abendessen. Also stürzten wir uns nochmal ins (sehr begrenzte) "Nachtleben", sprich: zum nächsten Dönerladen. Was für eine Erfahrung: die hatten gerade einen frischen Spieß aufgesetzt und so dauerte es eine ganze Weile, bis das Fleisch so weit war. Außerdem kamen plötzlich ne ganze Menge Leute gleichzeitig. Zusammen mit den Corona-Abstandsregeln ergab sich so schnell eine beeindruckende Schlange vor dem Laden, in der sich die Leute dann doch recht schnell gut unterhalten haben. Nach gut 45 Minuten konnten wir dann mit unserem recht leckeren Döner abziehen. Das war dann auch schon der Höhepunkt des Abends. Also früh ins Bett, am nächsten Tag sollte es mit der Wanderung losgehen.

Tag 1 - Was für eine Schlammschlacht

Nächster Morgen: ein leckeres Frühstück und auf geht's. Einen wichtigen Unterschied gab es zu unserer Wanderung in England: während wir damals jeden Morgen einen Teil unseres Gepäcks in der Unterkunft lassen konnten, der dann im Laufe des Tages wie auf magische Weise in der nächsten Unterkunft landete, mussten wir diesmal alles schultern. Das hatten wir natürlich vorher einkalkuliert und unsere Rucksäcke entsprechend enger gepackt. Rund 8 Kilo pro Nase, was sich später doch noch als etwas zuviel rausstellen sollte.

Eine aus Holz geschnitzte Hexe auf dem Besen, die den Start des Hexenstiegs markiert
Osterode ist der Startpunkt des Hexenstiegs, der sich einmal quer über das Gebäude nach Thale schlängelt. Natürlich stilecht markiert mit einer Hexe.

Das Wetter hatte sich herbstlich-kühl zurecht gemacht. Die Berge hingen noch im Nebel, als wir erstmal durch Osterode zum Startpunkt des Weges spazierten, bevor es dann ab auf den Berg ging.

Der hatte es dann auch in sich. Nicht weil er steil oder besonders hoch gewesen wäre, sondern weil es die Tage vorher geregnet hatte und das im Harz so eine Sache ist... Leider haben wir ja dieses kleine, möglicherweise zivilisationsgefährdende Problem namens Klimawandel. Der führt ja nun dazu, dass sich die Fichte in den üblichen Lagen in denen sie bisher wächst, nicht mehr so wohlfühlt. Durch die Trockenheit in den vergangenen Jahren setzt ihr der Borkenkäfer deutlich stärker zu. Im Harz (und nicht nur da) führt das schlicht dazu, dass die Bäume zu tausenden absterben. Ganze Bergrücken im Harz sind mittlerweile leer. Bäume stehen zu tausenden tot in der Landschaft, die Rinde blättert runter und irgendwann werden sie entweder gefällt oder fallen von alleine.

Einige tote Fichten, von denen die Rinde abblättert, stehen entlang des Weges
Schön ist anders. Und etwas unsicher fühlt sich das auch immer an. Aber leider sehen große Teile des Harzes so aus. Es gibt schon noch grüne Bäume, aber in manchen Bereichen scheinen die schon arg in der Minderheit zu sein.

Das große Problem hatte im Kleinen dann für uns eine echte Schlammschlacht zur Folge. Ein paar nasse Tage plus ein Harvester und ein paar weitere große Maschinen machen aus jedem Waldweg eine Schlammwüste, in der der geneigte Wanderer dann sehen kann, wie er vorankommt. Wir haben es letztlich geschafft, aber spannend war es schon.

Manu steht vor einem zerfahrenen, schlammzerfahrenen Waldweg mit jeder Menge Baumstämmen
Jepp, so sieht das aus, wenn man einen Wald abholzt und mit schwerer Maschinerie durch den nassen Boden pflügt.
Markus vor einem abgestorbenen Baum, der die Pommesgabel zu zeigen scheint
Zumindest ist der Wald noch metal...

Später wurde es dann doch noch etwas schicker. Der westliche Teil des Wanderwegs führt durch das Oberharzer Wasserregal. Kein Möbelstück, sondern eine riesige, jahrhundertealte technische Anlage aus hunderten Kilometern an Gräben, Wehren und Sammelteichen ("Regal" kommt hier wohl vom königlichen Recht der Wassernutzung, das da verliehen wurde. Nix mit Möbelbau.) Sinn des ganzen war die Heranführung von genügend Wasser zur Nutzung im Bergbau. Der hat nämlich ein ziemlich absurdes Problem: zuviel Wasser, weswegen man früher noch mehr Wasser brauchte. Auch in unserer Heimat gibt es die sogenannten Berggräben, die vom ollen Goethe wieder in Betrieb genommen wurden und deren Aufgabe es war, Wasser aus den Bergen heranzuführen. Gleiches Prinzip, nur kleiner. Ziel war, genügend Wasser zur Verfügung zu haben, um Wasserräder zu treiben, die dann wiederum über Pumpen Wasser aus den Bergwerken pumpen sollten. Sprich: man nutzte das Wasser als Energiequelle. Strom war ja noch nicht.

Für diese Anwendung braucht es natürlich eine ganze Menge Infrastruktur. Zuersteinmal muss das Wasser eingefangen werden. Dazu verlaufen Sammelgräben entlang der Bergflanken im Prinip im gesamten Harz westlich des Brockens. Die Gräben sammeln das Wasser und leiten es in verschiedene Speicherseen. Das hat den Vorteil, dass natürlich einerseits die Ablaufmenge reguliert werden kann, sprich: ein Starkregen zerschießt nicht gleich die ganze Infrastruktur der Bergwerke, und andererseits kann so auch in trockenen Zeiten ein konstanter Wasserfluss aufrechterhalten werden. Logisch: Ziel ist es ja, die Pumpen für das Grubenwasser zu treiben und dessen Menge hängt nunmal kaum von der Menge des Oberflächenwassers ab (und schon gar nicht direkt, sondern wenn, dann mit starker zeitlicher Verzögerung). Sprich: auch wenn es oben trocken ist muss unten trotzdem gepumpt werden.

Manu läuft einen Wanderweg durch den Wald entlang eines ziemlich zugewachsenen Wassergrabens
Manche sind etwas zugewachsen...
Blick entlang eines aktiven Wassergrabens quer durch den Wald. Der Wanderweg führt wieder parallel dazu entlang.
...andere deutlich mehr in Betrieb.
Ein Wassergraben kommt aus einem kleinen Tunnel, der ihn durch den Berg geführt hat.
Teilweise wurden Tunnel gegraben...
Markus hat das Kinn auf seinen Stock gestützt und blickt über einen halbleeren Stausee
...und natürlich einige Stauseen, um den Wasserzufluss zu regulieren und vor allem auch in trockenen Zeiten dauerhaft Wasser fließen zu lassen.

Auch wenn die Wassergräben natürlich in erster Linie menschengemachte Infrastruktur sind, sind sie heute einfach sehr idyllisch gelegen. Mitten durch den Wald, fast immer entlang der Höhenlinien (man muss schließlich weite Strecken überbrücken und darf nicht zuviel Höhe verlieren). Die (vermutlich) ehemaligen Wartungswege sind heute Wanderwege und bilden Teile des Hexenstiegs. Gerade außerhalb der Saison sind die auch recht einsam, was natürlich die Wanderung noch märchenhafter macht. Ein Graben hat mich besonders fasziniert: weil man an einer Stelle mal hier und mal da mehr Wasser gebraucht hat, hat man kurzerhand einen 5 km langen quasi waagerechten Graben zwischen zwei Teichen in den Berg gehauen. So konnte man durch Anstauen des einen oder anderen Teiches Wasser hin und her schieben. Der ganze Graben musste von Hand geschlagen werden, weil man durch Sprengungen den Fels rissig und den Graben damit undicht gemacht hätte. Allein die Präzision den Graben über 5 km entlang einer Höhenlinie mit nur wenigen Zentimetern Abweichung zu graben ist schon faszinierend. Vom Aufwand mal ganz abgesehen.

Der Abend endete im Hotel zur Schmiede in Altenau. Ziemlicher 80er-Jahre Charme, aber eigentlich ganz nett. Altenau ist doch recht bergig und das Hotel liegt relativ weit oben am Hang. Wir haben also unsere müden Beine (die definitiv das Gewicht der Rucksäcke sehr beklagenswert fanden. Ohne Gepäcktransport ist das doch schon ein wenig was anderes und erfordert mehr Training.) nochmal den Berg runter (und später wieder hoch) bemüht, um uns mit einem leckeren Abendessen zu verwöhnen. Natürlich ganz pandemiekonform mit elektronischer Anmeldung und großem Abstand. Lecker war's trotzdem.

Tag 2 - Auf zurück in die Jugend

Naja, nicht wirklich zurück in die Jugend. Aber zumindest in die Jugendherberge. Aber von vorn...

Der nächste Morgen führte uns erstmal wieder den Berg runter (Altenau ist bergig, ihr erinnert euch?) in die örtliche Touristeninformation. Wir wollten nämlich die Harzer Wandernadel erwandern. Dafür braucht man halt blöderweise das entsprechende Stempelheftchen, um sich an den Stempelstellen die (Überraschung) Stempel abzuholen. Die gibt es in den Touristeninformationen oder oft auch in Hotels. Dummerweise konnte uns unser Hotel in Osterode nicht helfen. Die hatten irgendwelche Probleme, die entsprechenden Heftchen von ihrer Touristeninformation zu bekommen, so dass sie schlicht keine mehr hatten. Also konnten wir auf dem ersten Abschnitt dummerweise keine Stempel sammeln. Blöd, denn die Wandernadel gibt es in unterschiedlichen Stufen und für die braucht man nun mal dummerweise eine gewisse Anzahl an Stempeln. Zusätzlich wollten wir gern die Wandernadel für den Hexenstieg selbst haben und dafür brauchten wir die entsprechenden Stempel natürlich auch (das lies sich zum Glück lösen). Keine Ahnung, was das Problem in Osterode war, aber kriegt mal euren Kram in den Griff! Die nette Dame in Altenau hat uns dann die notwendigen Dinge zur Verfügung gestellt, so dass wir fleißig stempeln konnten.

Nach einem kurzen Besuch in der Apotheke (Schmerzgel ist wichtig, hatten wir am Vortag gelernt) ging es dann erstmal raus aus dem Tal. Das sollte eh ein Thema sein an dem Tag. Der endete schließlich auf dem Berg (wenn auch nicht ganz oben im Harz, aber fast). Ein wildromantisches Tal mit einem plätschernden Bach (der dank des eher feuchten Wetters ordentlich Wasser hatte), eine gemütliche Wanderung zum Morgen, was will man mehr?

Ein kleiner "Wasserfall" in einem Bach, der die typische bräunliche Färbung des Moorwassers hat
Sehr idyllischer Bach...
Markus kniet über dem Bach und versucht ein Foto des Wassers zu bekommen
...für den man sich dann schonmal etwas reinknien muss.

Wenn man dan einmal aus dem Tal rausgeklettert ist, flacht der Weg etwas ab. Irgendwann überquert man mal die die Straße zwischen Altenau und Torfhaus und dort stand mein persönliches Lieblingsschild des Tages:

Ein altes Bushaltestellenschild mit einem Hinweis, dass die Linie ab 2012 nicht mehr bedient wird.
Damit auch ja keiner im Wald steht und auf die seit 8 Jahren nicht mehr bestehende Buslinie wartet...

Wir mussten also weiterlaufen. Auf einen Bus bestand hier definitiv keine Hoffnung. Machte aber nix, die Landschaft war ähnlich idyllisch, wie am Vortag, so dass wir gern weiterwandern wollten.

Der Wanderweg führt einen großen Teil des Tages am Dammgraben entlang. Das ist einer der aktiveren Gräben, so dass man den ganzen Tag schön plätschendes Wasser neben sich hat. Nur einmal muss man zwischendrin vom Graben weg: der führt durch den Berg, man selbst muss natürlich drüber. Hier bestand dann auch noch eine Umleitung: aufgrund von Steinschlaggefahr auf dem eigentlichen Wanderweg musste man eine Umleitung wandern, die es ernsthaft in sich hatte. Ein Stück hoch war ja noch untragisch. Das steile Stück auf der anderen Seite am Abhang wieder runter wäre normalerweise auch kein Problem gewesen, aber es war ja nass und schlammig... Wir haben beide trotz vorsichtiger Kletterei mehr als einen Ausfallschritt gemacht.

Manu auf einem schmalen, schlamming Trampelpfad überblickt das Tal, in das wir absteigen wollten
Sieht nicht schlimm aus, war aber eine ziemlich haarige Kletterei. Der Schlamm und die nassen Wurzeln haben uns mehr als einmal fast zu Fall gebracht.

Irgendwann ging es dann weg vom Dammgraben und stetig bergauf. Die Übernachtung war dann nämlich auf dem Berg in Torfhaus. Wie es sich für langsam alt werdende Leute gehört hatten wir eine Übernachtung in der Jugendherberge gebucht (deren Publikum sowieso aus Schulklassen und alten Leuten zu bestehen scheint). Unterwegs konnten wir noch einmal voll "bewundern", was der Klimawandel und die Trockenheit mit den Fichtenwäldern im Harz macht: ganze Bergrücken, die einfach nur noch von toten Bäumen bestanden werden.

Blick über einen Bergrücken, auf dem alle Fichten abgestorben sind
Der Anblick ist teilweise schon erschreckend. In vielen Bereichen werden die Bäume schnell noch gefällt, um das Holz nutzen zu können. Ich hoffe nur, dass der recht dünne Oberboden im Harz dann nicht in Zukunft einfach beim nächsten größeren Regen weggespült wird. Sonst sieht es ganz schnell aus, wie in Teilen Griechenlands oder Spaniens, die ihre Wälder vor Jahrhunderten dem Schiffsbau geopfert haben.

Abends in Torfhaus hatten wir dann doch noch was von Lütti. Auch wenn sie nicht mit wandern konnte, für einen Kurzbesuch mit Abendessen hat es dann zum Glück doch gereicht. Torfhaus hat die berühmte Bavaria Alm (also... "berühmt" für manche Leute offenbar. Ich hatte noch nie davon gehört.) Quasi Bayern-Kitsch im Harz. Aber das Abendessen war lecker. Und wir hatten das Glück, mal kurz in einem Testfahrzeug auf der gleichen Plattform, wie unser (damals zukünftiges) Auto, mitzufahren. War auch mal ein Erlebnis.

Selfie von Manu, Lütti & Markus mit selbstgenähten Masken
Vorschriftsmäßig mit Maske, damals noch selbstgenäht. Unser Abend in der Bavaria Alm in Torfhaus. Schon lustig: dieses kleine Kaff hat so eine große Kneipe/Alm, ein Ressort und eine Niederlassung von Globetrotter und noch einiges mehr. Keine Ahnung, wieso eigentlich...

Der Rückweg zur Jugendherberge war dann dankenswerterweise im Auto. Wir wollten schließlich am nächsten Tag auf den höchsten Berg des Harzes...

Tag 3 - Tür zu! Hier zieht's!

Der dritte Tag startete erstmal bergauf. Schließlich ging es auf den Brocken und der ist ja schließlich der höchste Berg weit und breit. Von Torfhaus aus geht es erstmal gemütlich durch's Moor, den Brocken immer fest in der Ferne im Blick.

Blick über Manu's Schulter mit dem Brocken im Hintergrund
Da wollten wir rauf. Und hinterher auf der anderen Seite wieder runter.
Manu auf einem Holzsteg, der durch das Moor entlang eines kleinen Baches fließt
Von Torfhaus zum Brocken geht es entlang des Goethewegs. Der hat ja Wege in ganz Deutschland hinterlassen.

Irgendwann wird der Weg dann steiler und wechselt den Untergrund zu Beton: der alte Kolonnenweg der DDR Grenztruppen. Der Brocken lag zu DDR-Zeiten ja auf ostdeutschem Gebiet, war aber als Sperrgebiet quasi nicht erreichbar (außer für Geheimdienstler und - faszinierenderweise - Meteorologen, die dort auch zu der Zeit Klimadaten erheben durften). Demzufolge war er natürlich, wie an der DDR-Grenze üblich auch von Sperranlagen umgeben, zu denen auch immer ein Kolonnenweg gehörte, der aus einer bestimmten Art von Betonplatten bestand. Zu DDR-Zeiten quer durch den Wald gezogen, damit Autos (und im Fall der Fälle auch Panzer) fahren konnten, sind sie heute meist die einzigen Überbleibsel, die an die ehemalige deutsch-deutsche Grenze erinnern. Einen gewissen Gruselfaktor haben die schon, erinnern sie doch daran, dass früher hier scharf geschossen worden wäre.

Manu wandert auf den typischen Betonplatten des ehemaligen Kolonnenweges der Grenztruppen
Ich verbinde mit diesen Platten immer einen gewissen Gruselfaktor. In der Nähe meiner Schwiegereltern gibt es davon auch mehr als genug und die erinnern mich immer wieder daran, dass ich da, wo ich heute Radfahren und Wandern kann, vor 35 Jahren noch erschossen worden wäre.

Heute ist die größte Gefahr, von der Dampflok überfahren zu werden und die ist nicht sonderlich hoch. Die Brockenbahn schnauft deutlich vernehmlich den Berg rauf und runter und bietet die ein oder andere Fotogelegenheit. Von Schierke bis zum Bahnhof Brocken schlängelt sich die Bahn durch den Wald einmal um den Brocken herum, um die 440 Höhenmeter zu überwinden. Wir waren ja aber schließlich wandern und nicht Zug fahren, also gibt es Fotos nur von außen.

Die Dampflok der Brockenbahn zieht ihre Wagen den Berg auf
Schnauft und stößt jede Menge Rauch aus. Bringt dabei aber auch Leute auf den höchsten Berg des Harzes.

Oben angekommen wurden wir dann erstmal ordentlich durchgelüftet. Hoher Berg im Herbst bedeutet meist dann doch eben ne Menge Wind. Das ging soweit, dass wir uns plötzlich sandgestrahlt vorkamen, weil ein paar Meter weiter jemand vorbeigelaufen war und mit den Füßen den Sand am Boden hochgerissen hatte. Ein wenig rumgucken und Fotos machen und das war's dann auch schon. Die Aussicht war schon schick, aber irgendwann ist dann doch mal gut mit der Pusterei. Also auf der anderen Seite runter.

Selfie von Manu & Markus mit verwirbelten Haaren vor der Antennenanlage auf dem Brocken
Frisur is nich mehr, nachdem man auf dem Brocken war.

Auf der anderen Seite runter war dann allerdings doch deutlich anstrengender, als wir erwartet hatten. Der langgezogene Abstieg war Gift für unsere Beine. Schwere Rucksäcke bergab sind keine angenehme Kombination, da sie extrem auf die Knie gehen. Und vom Brocken bis nach Schierke ist es ne ganze Weile bergab. Diesmal haben sogar meine Knie gestreikt. Nach einigem Gehumpel haben wir es dann aber doch noch in unsere Unterkunft geschafft. Wir haben uns dann noch ein wenig lecker Kuchen und später noch Abendessen gegönnt, sonst aber sonst recht früh uns Bett.

Tag 4 - Wasser, jede Menge Wasser...

Tag 4 begann erstmal mit einem Trip in ein sprichwörtliches und tatsächliches Elendstal: unsere Knie waren noch elendig empfindlich und so heißt ein Teil des Weges tatsächlich. Das Elendstal ist ein kleines, aber durchaus feines Naturschutzgebiet, durch das man Schierke nach Elend (geiler Ortsname).

Blick entlang eines Waldweges mit herbstlichem Blätterdach, durch das Sonnenlich auf den Boden scheint
Wandern im Herbst hat doch schon schöne Momente.
Blick ober die durch das Elendstal fließende Kalte Bode, die unter den herbstlichen Bäumen davonfließt
Die Wanderung durch das Elendstal führt ständig entlang der Kalten Bode, die sich da so unter den herbstlichen Bäumen entlangwindet.
Ein steinerner Brückenbogen unter dem die ersten Gartenzäune eines Ortes sichtbar sind
Das Tal endet dann in Elend (dem Ort, nicht dem Zustand) unter einer steinernen Eisenbahnbrücke.

In Elend weitet sich das Tal der Kalten Bode dann ziemlich und biegt in Richtung Osten ab. An der Mandelholztalsperre zeigte sich dann wieder das Schlamm-/Wasserproblem, was wir am ersten Tag schon hatten: die Talsperre war über die Ufer getreten und blockierte in dem Fall den Wanderweg. Also ein kleiner Umweg den Berg hoch, damit wir eine Chance hatten, halbwegs trockenen Fußes weiterzukommen.

Markus steht am Rande eines überfluteten Wanderweges, Blick ins Handy, um eine Alternativroute zu ermitteln
Irgendwann wurde aus dem Schlamm dann Wasser und wir mussten uns doch eine Alternativroute suchen.

Wasser in fallender Form gab es an dem Tag zum Glück nur am Königshütter Wasserfall. Der stürzt sich aus 15 Metern Höhe in einem alten Steinbruch in die Tiefe. Man sieht's ihm nicht an, aber der ist künstlich. Erst 1994 angelegt ist er eine kleine lokale Attraktion und dient als Stempelstelle für die Harzer Wandernadel. Da wir ja dank der Touristeninformation Altenau mit einem Stempelheft ausgerüstet waren, haben wir fleißig gestempelt, bevor es dann weiter entlang der Kalten Bode in Richtung Ortsausgang ging. Dort kommt dann irgendwo die Warme Bode (die vermutlich auch nicht so wahnsinnig viel wärmer ist) von Süden dazu und die beiden fließen als Bode gemeinsam weiter in die Talsperre Königshütte.

Ein kleiner Wasserfall über einige Felsen in einen kleinen Teich
Sieht aus, als wäre er schon immer da gewesen, wurde aber 1994 künstlich angelegt.

Die Talsperre sieht erstmal unspektakulär aus, ist aber unter der Oberfläche ganz interessant: ein fast zwei Kilometer langer Stollen verbindet hier nämlich das Bodetal mit dem Rappbodetal, in dem die größte Talsperre der Gegend liegt (die wir aber an dem Tag noch nicht besucht haben). So kann dann Wasser von dem einen ins andere Tal verschoben und in die Rappbodetalsperre eingestaut werden. Die beiden Täler treffen sich nämlich eigentlich erst unterhalb der Rappbodestaumauer, so dass ohne die Talsperre Königshütte und ihren Überleitungsstollen das Wasser der Bode einfach an dem Talsperrensystem vorbeifließen würde. Auch heute noch baut man im Harz also ausgeklügelte Wasserleitsysteme, damit man das maximal nutzen kann.

Für uns ging's aber erstmal weiter entlang des Bodetals in Richtung Rübeland, wo wir eine Unterkunft für die Nacht hatten. Zumindest am Ortseingang von Rübeland war es dann erstmal ordentlich laut. Ein riesiger Kalksteinbruch staubt nicht nur die Landschaft ordentlich ein, sondern erzeugt zusammen mit dem gleich dort gelegenen Kalksteinwerk und seinen Brechern und den Zügen für den Transport des Materials einen Höllenlärm. Ein ziemlich amtlicher Kontrast zur Rühe der Wälder, Talsperren und Wassergräben der vorherigen Tage.

Ein Trichter mit der Aufschrift "Staubmesspunkt"
Anscheinend muss das Kalkwerk messen, wieviel Staub genau es produziert.
Einige staubige Eisenbahnwaggons fahren über eine Brücke
Schon ein Kontrast zur Ruhe der vergangenen Tage: ein Güterzug voll Steine ist nicht gerade eine leise Erfahrung.

In Rübeland trafen wir dann auch auf Daniel. Als Lütti nämlich spontan absagen musste, hatte er sich zumindest für die zweite Hälfte der Wanderung dazugesellt. Die Unterkünfte für drei Leute hatten wir ja eh, von daher bot sich das an. Er war an dem Tag mit dem Zug und zu Fuß nach Rübeland angereist (vermutlich auch eine mittlere Odyssee), hatte sich die Hermannshöhle mit ihren Grottenolmen angeschaut und dann auf unser Eintreffen gewartet.

Zusammen legten wir die letzten Meter in Richtung Unterkunft zurück. Ein doch recht großes Hotel außerhalb der Saison: wir waren drei von (wenn ich mich recht entsinne) 7 Gästen. Hatte schon ein wenig was von The Shining. Dafür gab's direkt im Hotel lecker Abendessen und es kam auch am Ende keiner mit der Axt vorbei.

Tag 5 - Richtig große Infrastruktur und lauter Verrückte

Am nächsten Morgen ging es dann erstmal bergauf: der Pavillion Hoher Kleef wollte erstmal erklommen werden, bevor wir den Blick über Rübeland genießen konnten. Danach ging's dann quer durch den Wald in Richtung Staumauer der Rappbode-Talsperre. Die ist offenbar die höchste Staumauer Deutschlands mit ihren 106 Metern. Wir haben nicht nachgemessen, aber beeindruckend war's schon.

Ein Blick über einen Teil von Rübeland mit der Bahnstrecke in der Talmitte
Von weit oben deutlich ruhiger und eigentlich ganz schick: Rübeland im Harz
Blick entlang der Krone der Staumauer der Rappbode-Talsperre. Über dem Tal ist eine Hängebrücke für Fußgänger zu erkennen, die den Auslauf der Staumauer überspannt.
Durchaus beeindruckend, diese Staumauer. Und die ganze touristische Infrastruktur mit Hängebrücke, Bungee Jumping und Ziplining, die sich da mittlerweile angesiedelt hat.
Eine große Betonplakette mit der Inschrift "Die sozialistischen Produktionsverhältnisse unseres Arbeiter- und Bauern Staates die großen Leistungen der am Bau beteiligten Arbeiter Techniker und Ingenieure waren die Grundlagen der Entstehung dieses Werkes   Anerkennung und Dank den Erbauern" (Schreibweise und Interpunktion im Original)
Stolz waren sie offenbar damals schon auf den Bau dieser Staumauer. Durchaus ja zurecht.

Um die Staumauer hat sich mittlerweile einiges an Touristenmagneten angesammelt (was übrigens zu ziemlichen Staus auf den Anfahrtsstraßen führte, aber wir waren ja zum Glück zu Fuß.). Eine Hängebrücke für Fußgänger (die hat mit 458 Metern freihängendem Teilstück das zweitlängste der Erde), Bungee Jumping (von der Hängebrücke, damit sich der Nervenkitzel wenigstens lohnt) und die mit 1000 Metern längste Zipline Europas, an der zwei Leute am Stahlseil über das Tal unterhalb der Staumauer rutschen können. Alles insgesamt schon auf Nervenkitzel ausgelegt. Wir waren an dem Tag feige und haben die Krone der Staumauer überquert. Fühlt sich einfach deutlich stabiler an. Schick war's trotzdem.

Blick auf die Talsperre unterhalb der Rappbode-Staumauer. Über dem Wasser kaum erkennbar zwei Punkte vor dem hellen Hintergrund
Schon schick, der Blick von der Krone der Staumauer. Wie man sieht: die Fußgängerbrücke ist doch recht hoch (und lang). Was man kaum sieht: die zwei dunklen Punkte über dem linken Seitenarm der Talsperre. Das sind zwei Menschen, die gerade entlang der Zipline ins Tal schießen.
Detailaufnahme der Gondel unterhalb der Fußgängerbrücke, aus der Bungee Jumping möglich ist. Unterhalb der Gondel stürzt sich gerade jemand am Seil in die Tiefe
Auch wieder eher schwer zu erkennen: der Mensch, der sich aus der Gondel gerade am Bungeeseil in die Tiefe stürzt (unterhalb der rechten Ecke der Gondel). 75 Meter geht's dort dem Wasser entgegen, bevor einen das Seil wieder nach oben reißt.

Da wir ja den langweiligen Weg gewählt hatten, mussten wir am anderen Ende der Staumauer dann noch zur Staumauer der Talsperre Wendefurth absteigen (mit der Zipline wäre man quasi fast dort angekommen). Dort hätte man gleich einem weiteren Nervenkitzel fröhnen können: Wallrunning (damals noch an der Staumauer, heute geht es wohl weiter oben am neuen Aussichtsturm nach unten). Da stürzte sich auch gerade wieder so ein Verrückter in die Tiefe.

Ein Mann steht, am Seil gesichert, mit dem Gesicht nach unten an der Außenseite einer Staumauer
Auch hier waren wir wieder langweilig und haben die Straße neben der Staumauer genommen. Man könnte aber auch den direkten Weg wählen.

Danach wurde es dann wieder etwas ruhiger. Weiter entlang des Bodetals nach Treseburg. Unterwegs gab's noch ein paar Spiel- und Lernmöglichkeiten für Kinder, die wir natürlich gern angenommen haben: Tannenzapfenzielwerfen und Weitspringen (mit Vergleich der Sprungweiten verschiedener Tiere).

Eine Zielscheibe für Tannenzapfenzielwerfen des Harzklub
Zielwerfen mit Tannenzapfen. Unsere Trefferquote hielt sich in Grenzen.
Zwei Schilder mit der Aufschrift "Und wie weit springst du?" und "Marder 1,5 m". Jemand hat auf das Marder-Schild mit Kuli "Corona-Virus" geschrieben
Ein Bild, das so wohl nur 2020 entstehen konnte. Das Corona-Virus springt ebenfalls 1,5 m weit. Jedenfalls laut der damals geltenden Abstandsregeln.

Unsere Wanderungen haben eine... sagen wir "bemerkenswerte" Tradition: die letzten 1000 Meter sind der "Nörgel-Schnörkel". Die scheinen sich immer am längsten zu ziehen: man muss noch, aber so ein wenig ist die Luft raus. Auf denen darf Manu meckern. Vorher ist schimpfen verboten. Daniel und ich haben es uns natürlich nicht nehmen lassen, den Nörgel-Schnörkel passend einzuzählen. Sehr zur Belustigung meiner Frau...

Manu kann sich vor Lachen kaum auf den Beinen halten
Wir haben nichts gemacht! Versprochen! Nur dagestanden und Manu auf dem Weg zum Beginn des Nörgel-Schnörkels angefeuert.

Der Tag klang dann recht ruhig mit lecker Essen im Hotel Zur Luppbode aus. Ein ruhiger Abend als Einstimmung auf unseren letzten Wandertag bis nach Thale.

Zwei Villen aus Naturstein
Treseburg hatte offenbar mal zumindest ein paar wohlhabende Bewohner. Die Villen zeugen zumindest von einem gewissen Reichtum. Heute ist das ein Hotel.
Halloween-Dekoration im Vorgarten eines Hauses
Wir waren ja schließlich im Oktober wandern. Da muss man dann schonmal mit Halloween-Deko rechnen.
Eine Glasscheibe mit der Aufschrift "Hat die Blume einen Knick war der Schmetterling zu dick."
Der Spruch vor dem Eingang des Restaurants... Wir haben es uns trotzdem schmecken lassen.

Tag 6 - Endspurt und Zieleinlauf

Der sechste - und letzte - Tag war eher kurz (wir mussten schließlich noch mit dem Zug nach Hause) und begann mit einer (erwarteten) Enttäuschung: der malerischste und wildeste Teil des Bodetals zwischen Treseburg und Thale war gesperrt. Das wussten wir natürlich vorher, aber etwas schade war's trotzdem. Aber zumindest gibt uns das einen Grund, nochmal wiederzukommen, wenn Lütti die Wanderung irgendwann mal machen will. Diesmal mussten wir in Treseburg aus dem Tal aufsteigen und über den Berg in Richtung Hexentanzplatz laufen. Dabei umgeht man natürlich auch die ganzen Bögen und Schwünge des Flusstals, so dass die Strecke am Ende deutlich zusammenschnurrt. So waren wir dann am Ende schon gegen Mittag auf dem Hexentanzplatz. Da kann man zwar durchaus noch etwas Zeit zubringen, aber irgendwann ist es dann doch mal gut.

Ein Feuersalamander im Laub
Den hatte ich bisher noch nicht in freier Wildbahn gesehen. Ein Feuersalamander, der sich gerade aufwärmen wollte. Der musst halt dann für ein paar Fotos herhalten.
Manu, Daniel & Markus auf einem Aussichtspunkt am Hexentanzplatz. Im Hintergrund das Bodetal und Thale
Einen Vorteil hatte das gesperrte Tal ja: vom Hexentanzplatz aus hat man unbestritten die besseren Ausblicke.
Blick von oben auf den Eingang gesperrten Teils des Bodetals
Trotzdem hätten wir diesen Teil des Tals gern durchwandert. In der Zwischenzeit ist der Teil gesichert (gesperrt war er aufgrund eines Steinschlags, der auch den Wanderweg bedroht hatte), so dass wir vielleicht in einigen Jahren doch nochmal die Chance haben.

Nachdem wir uns also an den Attraktionen des Hexentanzplatzes sattgesehen hatte (inklusive Kurzbesuch im Tierpark) ging es zur Gondelbahnabfahrt. Wir hatten genug bergab hinter uns, so dass wir uns hier dann die bequeme Variante gönnen wollten.

Manu, Daniel & Markus mit Masken in einer Gondel der Hexentanzplatz Kabinenbahn
Der schnelle, faule Weg nach unten. Wir wollten ja schließlich auch noch den Zug nach Hause erreichen.

Nach einer kurzen Wanderung durch den Ort zum Bahnhof war die Wanderung dann auch zuende. 112 km von Osterode bis zum Foto unter dem Zielschild des Hexenstiegs (der eigentliche Hexenstieg ist etwas kürzer, aber wir hatten durch einige kleine Umwege für Unterkünfte eine etwas längere Strecke). Die Touristeninformation ist direkt im Bahnhof, so dass wir beim Warten auf den Zug gleich noch unsere Harzer Wandernadeln (in Bronze und Silber) bekommen konnten. Danach ging's dann ab in den Zug und nach einigen Stunden waren wir wieder in heimatlichen Gefilden.

Manu, Daniel und Markus vor dem Schild, dass das Ziel des Harzer Hexenstiegs in Thale anzeigt
Ein weiterer Wanderweg abgeschlossen (und später noch auf den Stock gebrannt). Das Wetter war deutlich kühler und feuchter, als in England, aber nicht minder schön.

Nachtrag

Ein paar Tage später bekamen wir unerwarteterweise Post aus Thale. Was wir noch nicht gemerkt hatten: wir hatten unsere Stempelhefte (inklusive unserer Tourendaten) für die Harzer Wandernadel in der Touristeninformation liegenlassen. Die haben dann etwas Sherlock Holmes gespielt, über eins unserer Hotels unsere Adresse rausbekommen und uns die Sachen alle zugeschickt. Danke nochmal dafür! Wir wollen ja vielleicht noch irgendwann die Stempelsammlung erweitern.

Der Wanderweg ist definitiv einen Besuch wert. Vor allem außerhalb der Saison ist er schön und schön einsam. Die Landschaft des Harzes ist vor allem auch im Herbst für einige schöne Blicke gut (auch wenn der Klimawandel leider einige Teile arg mitnimmt). Wir haben eine Wanderung ohne Gepäcktransport probiert und (größtenteils) erfolgreich geschafft. Und Manu ist immernoch begeistert, so dass ich mich auf hoffentlich noch viele weitere freuen kann.